Lausanne. . Nach zähem Ringen haben sich die fünf UN-Vetomächte plus Deutschland am Donnerstag mit dem Iran im Grundsatz geeinigt. Noch ist einiges zu regeln.
Nach jahrelangen Streitigkeiten über das iranische Atomprogramm haben die Beteiligten einen gewaltigen Fortschritt erzielt. Die UN-Vetomächte sowie Deutschland einigten sich mit der Islamischen Republik auf ein Rahmenabkommen in dem Konflikt, wie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung im schweizerischen Lausanne mitteilten. Demnach soll das iranische Nuklearprogramm auf Jahre deutlichen Begrenzungen unterworfen werden. Im Gegenzug sollen Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden. Bis zur endgültigen Beilegung des Streits ist jedoch noch viel zu tun.
Die internationale Gemeinschaft will jeden technologischen Weg zu einer iranischen Atombombe versperren. Der Regierung in Teheran erhofft sich durch Sanktionsaufhebungen einen ökonomischen Aufschwung.
"Wir sind durch", meint Bundesaußenminister Steinmeier
Der Iran verpflichtet sich, sein nukleares Anreicherungsprogramm bis zu 25 Jahre lang einem mehrstufigen System von Beschränkungen und Kontrollen zu unterwerfen, wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Lausanne sagte. Alle nuklearen Aktivitäten des Landes unterlägen damit für bis zu 25 Jahre strengster Überwachung durch die Internationale Atomenergiebehörde. Im Gegenzug hebt der Westen seine Wirtschaftssanktionen auf, kann sie aber bei Regelverstößen umgehend wieder in Kraft setzen.
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"Wir sind durch", erklärte Steinmeier. Für Jubelstimmung sei es zwar noch zu früh. "Dennoch: Mit den vereinbarten Eckpunkten haben wir Hindernisse aus dem Weg geräumt, die einer Einigung ein Jahrzehnt lang im Weg standen."
Mogherini wertete die Vereinbarung als "entscheidenden Schritt". Bis zum 30. Juni soll ein umfassendes Abkommen erreicht werden. Sarif sagte, es gebe jetzt noch keine Verpflichtungen.
Neubeginn nach 35 Jahren "Eiszeit" zwischen USA und Iran
Unterhändler und Außenminister der beteiligten Länder hatten seit vergangenen Donnerstag unter Moderation Mogherinis im schweizerischen Lausanne um eine grundsätzliche Einigung in dem seit mehr als einem Jahrzehnt währenden Streit gerungen. Die Gespräche waren nach dem Auslaufen einer Frist in der Nacht auf Mittwoch verstrichen verlängert worden.
Die Einigung markiert nach 35 Jahren Eiszeit zwischen Washington und Teheran - 1979 waren beim Sturz des Schahs die US-Botschaft besetzt und 52 US-Diplomaten fast eineinhalb Jahre als Geiseln festgehalten worden - auch einen Neubeginn der Beziehungen. Er hoffe, dass durch die letztliche Umsetzung der Maßnahmen gegenseitiges Misstrauen abgebaut werden könne, sagte Sarif.
Steinmeier hofft bei einer endgültigen Einigung auf eine Signalwirkung auch für andere internationale Krisen. "Es wäre der erste und einzige Konflikt im Mittleren Osten, bei dem uns eine Entschärfung gelingt", erklärte er. "Vielleicht entstehen aus dieser Dynamik auch Aussichten einer Entschärfung anderer gefährlicher Krisen und Konflikte im Nahen und Mittleren Osten."
US-Präsident Barack Obama hatte sich persönlich vehement für eine Einigung eingesetzt. Zu den Kritikern der Annäherung zählen die konservativen Kräfte im US-Kongress, Israel und auch die Golfstaaten, die eine Verschiebung des regionalen Machtgefüges zugunsten des Irans befürchten. Jedes Abkommen müsse auch "iranischen Terrorismus und seine Aggressionen stoppen", forderte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf Twitter.
Die diplomatische Offensive war durch den reformorientierten iranischen Präsidenten Hassan Ruhani möglich geworden. Der hatte den rund 78 Millionen Persern einen wirtschaftlichen Aufschwung versprochen. Die Sanktionen wie das Öl-Embargo der EU hatten zu einer enormen Inflation und zu Engpässen bei den Waren geführt.
Atomstreit mit Iran - die wichtigsten Verhandler
Seit rund zwölf Monaten läuft die Diplomatie auf Hochtouren, um den langjährigen Atomstreit mit dem Iran zu lösen. Die Last der Verhandlungen trugen aufseiten der USA, des Irans und der EU im wesentlichen Unterstaatssekretärin Wendy Shermann, Außenminister Mohammed Dschawad Sarif und die seit November 2014 von Federica Mogherini abgelöste EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton.
- WENDY SHERMAN: Die weißhaarige, elegante Frau stammt aus einer sozial engagierten Familie und hat einen eher untypischen Werdegang. Sie kennt, wie ihr Chef Barack Obama, auch die Schattenseiten der USA. Bevor sie in die Politik ging, arbeitete sie als Sozialarbeiterin. "Einst hat sie sich um die Sicherheit der kleinen Leute gekümmert, jetzt um die Sicherheit in der Welt", so ein Beobachter. Die 1949 geborene Frau ist eloquent, charmant, hat gute Nerven, Humor und eine Prise Selbstironie. Die Demokratin verhandelte ihrer politischen Karriere mit Nordkorea und war Beraterin im Team der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright. Bei den Iran-Gesprächen führte sie nicht nur die Verhandlungen, sondern sie musste auch eine mindestens ebenso heikle Aufgabe meistern: Kritiker in Israel, den Golfstaaten und in den USA informieren und vom US-Vorgehen überzeugen.
- MOHAMMED DSCHAWAD SARIF: Außenpolitisch gab es für Präsident Hassan Ruhani von Anfang an nur ein Ziel: Der Iran muss sich mit der Welt, besonders dem Westen, wieder versöhnen. Dafür gab es als Außenminister keine bessere Option als den 55-Jährigen, der zugleich Chefunterhändler für den Atomstreit wurde. Sarif hatte beste Voraussetzungen für einen Durchbruch. Der in Teheran geborene Diplomat hat in San Francisco studiert, besitzt einen Doktortitel in Politologie von der Universität Denver und spricht perfekt Englisch. Außerdem war er von 2002 bis 2007 Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York, wo er schon damals mehrere inoffizielle Treffen mit US-Politikern hatte. Sarif ist umgänglich und hat eine gewinnende Persönlichkeit. Er bedient sich gern sozialer Medien wie Twitter und Facebook.
- CATHERINE ASHTON: Was hat die Britin Catherine Ashton wirklich gut gemacht in ihrer fünfjährigen Amtszeit als EU-Außenbeauftragte? Diplomaten in Brüssel fallen auf diese Fragen meist nur die Bemühungen zur Beilegung des Kosovo-Konflikts und die Verhandlungsführung für die EU im Atomstreit mit dem Iran ein. Die frühere Unterstaatssekretärin und Vizepräsidentin britischer Atomwaffengegner galt bis zuletzt als eher unglückliche Besetzung für Europas wichtigsten Außenpolitikposten. Lady Ashton sei eine gute Vermittlerin, aber zu blass im Auftreten, wenig führungsstark und nicht gerade entscheidungsfreudig, heißt es. In den Iran-Gesprächen galt ihr guter Draht zu Sarif als hilfreich. (dpa)