Lausanne. Die Atomverhandlungen mit dem Iran scheinen sich dem Ende zuzuneigen. Viel Wichtiges ist jedoch noch nicht entschieden worden.
Joggende, spazierende und radfahrende Minister waren am Dienstag Mangelware an der Seepromenade von Lausanne. Am zunächst in Stein gemeißelten Endspiel-Tag der seit bald zwölf Jahren währenden Verhandlungen des Westens mit dem Iran über dessen nichts als Unruhe stiftendes Atom-Programm war für Entspannungsübungen keine Zeit. Angesichts des dünn erscheinenden Ergebnisses wäre den Emissären mehr Frischluft zu wünschen gewesen. Denn ausgerechnet heute, am weltweiten Tag des Schabernacks, soll es weitergehen. April, April.
Ob dann mit jenem verlässlichen Schwur, der den Dauer-Brandherd perspektivisch von der weltpolitischen Bühne räumt, ist nicht klar. Anstelle der angestrebten Grundsatzvereinbarung, in der die zentralen Eckpunkte eines Abkommens einvernehmlich fixiert sind, um bis Ende Juni die nötigen Spiegelstriche zu ergänzen, stand nur das bemühte Bekenntnis im Raum, dass man sich auf auf besagte Grundsatzvereinbarung verständigen will. So klingen Stillstand und Misserfolg, wenn Diplomaten zum Communique-Bleistift greifen.
Die hinlänglich bekannten Stolpersteine auf dem Weg zu einem iranischen Nuklearprogramm, das künftig garantiert ausschließlich zivil ist und mindestens zehn Jahre lang keine Kernwaffen-Reife erlangen darf, wurden bisher nicht aus dem Weg geräumt. Was die Skepsis nährt, dass die hochkarätigen Unterhändler von Kerry bis Steinmeier auch bis Ende Juni nicht gestemmt kriegen, was zu stemmen ist.
Eine tickende Bombe für die USA
Bevor das Ping-Pong-Spiel über die Frage, wer hat in der Schweiz zu wenige Zugeständnisse gemacht und wer zu viele, losgeht, darf man festhalten:
- Iran passt das Bummelzug-Tempo nicht, in dem der Sanktions-Vorhang gelüftet werden soll, den der Westen zum Leidwesen der iranischen Wirtschaft auf Basis von Resolutionen des UN-Sicherheitsrats herabgelassen hat.
- Iran passt nicht, dass die internationale Gemeinschaft einem misstrauischen Bewährungshelfer ähnlich mit Argusaugen über Teherans Forschung und Entwicklung im Nuklearbereich wachen und die vorhandenen Uran-Bestände bis zur Bedeutungslosigkeit schrumpfen oder in andere Länder auslagern will.
- Kurzum: Iran passt nicht, dass der Westen weiter seinen Generalverdacht pflegt und deshalb keinen großzügigen Vertrauensvorschuss gewährt.
Diese Haltung stimmt realitätsfremd. Unter Obamas Führung hat der Westen sein ursprüngliches Maximal-Ziel, den Iran kategorisch und dauerhaft von nuklearer Militär-Technik abzuhalten, stillschweigend längst aufgegeben. Es geht um das Managen und Eindämmen von Risiken und Gefahren. Auf Zeit. Prinzip Hoffnung also - mit Führungsaufsicht. Mehr Entgegenkommen Teherans wäre angezeigt.
Für die amerikanische Regierung ist das vorläufige Resultat ein tickender Sprengsatz. Wird es nicht bald handfester, werden die Republikaner im Kongress nichts unversucht lassen, den Iran mit zusätzlichen Sanktionen zu piesacken und Obamas Handlungsspielraum in der Atomfrage weiter einzuschränken. Die Tatsache, dass sich der stolze Iran auch durch noch so starke Knebelung seiner Ökonomie nicht in die Knie zwingen lassen wird, spielt in Washington leider keine Rolle.