Berlin. Seit 1996 hat die Bundeswehr 176.000 G36-Gewehre gekauft. Jetzt wird das G36 nur noch eingeschränkt genutzt werden - es hat Präzisionsprobleme.

Nach jahrelangen Untersuchungen hat die Bundeswehr massive Probleme bei der Treffsicherheit ihres Standardgewehrs G36 eingeräumt und erste Konsequenzen gezogen. "Das G36 hat offenbar ein Präzisionsproblem bei hohen Temperaturen, aber auch im heißgeschossenen Zustand", erklärte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Montag. In den Einsätzen etwa in Afghanistan und im westafrikanischen Mali soll das Sturmgewehr nun nur noch eingeschränkt genutzt werden. Von der Leyen schließt auch nicht aus, dass es mittelfristig ganz aus dem Verkehr gezogen wird.

Heckler & Koch trat den Vorwürfen entgegen, die eigenen Prüfungen der Waffe "diametral" widersprächen. "Diese haben bei sachgerechtem Gebrauch keine maßgeblichen Einschränkungen der Einsatztauglichkeit, insbesondere auch im Vergleich zu anderen Sturmgewehren, ergeben", erklärte das Unternehmen in Oberndorf (Baden-Württemberg). "Bedauerlicherweise" habe die Bundeswehr die Firma nicht in ihre Untersuchungen eingebunden.

Widersprüchliche Gutachten über die Treffsicherheit des G36

Die Bundeswehr hat seit 1996 vom Hersteller Heckler & Koch 176.000 G36 gekauft. Es werden aber nicht mehr alle genutzt. Zuletzt wurden mehrere tausend G36 an die kurdischen Peschmerga-Streitkräfte im Irak für ihren Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat verschenkt.

Das Bundeswehr-Standardgewehr G36. Wird es zu heiß, lässt sich schlecht damit zielen. (Foto: dpa)
Das Bundeswehr-Standardgewehr G36. Wird es zu heiß, lässt sich schlecht damit zielen. (Foto: dpa)

In den vergangenen Jahren hatte es mehrere widersprüchliche Gutachten über die Treffsicherheit des G36 gegeben. Daraufhin hatte von der Leyen im Frühsommer 2014 eine Expertenkommission mit Vertretern der Bundeswehr, des Bundesrechnungshofs und des Fraunhofer-Instituts eingesetzt, um Klarheit zu schaffen. Der Abschlussbericht steht zwar noch aus. Die bisher vorliegenden Bewertungen wiesen aber "in eine eindeutige Richtung", erklärte von der Leyen.

Weitere Konsequenzen werden im April besprochen

Der Generalinspekteur Volker Wieker wandte sich bereits am Montag an die Bundeswehr-Kommandeure. Aus seinem Schreiben geht hervor, dass die Präzisionsprobleme beim G36 "signifikant größer als bei den untersuchten Vergleichswaffen" sind. Die Präzisionsprobleme seien mit allen Munitionsarten und sowohl bei einer Erhitzung der Waffe durch Schnellfeuer als auch bei Veränderung der klimatischen Bedingungen aufgetreten.

In den nächsten Tagen wird der Generalinspekteur nun eine Weisung an die Soldaten im Einsatz ausgeben, wie sie weiter mit dem G36 umgehen sollen. Bei Ausbildung und Übungen soll das Gewehr "für eine Übergangszeit" weiter genutzt werden.

Nach Vorlage des Abschlussberichts im April soll über weitere Konsequenzen beraten werden. "Das schließt auch die Frage ein, ob und inwieweit die Truppe auf mittlere Sicht mit einem anderen Sturmgewehr ausgerüstet werden muss", sagte von der Leyen.

Kritik von der Linken

Die Grünen nannten das Eingeständnis der Probleme einen "Super-Gau für die Bundeswehr". "Das Vertrauen der Truppe in die Leitung wird erneut erschüttert. Die Liste der Desaster im Rüstungsbereich wird damit um einen besonderen sensiblen Punkt länger", erklärte der Haushalts- und Verteidigungsexperte Tobias Lindner.

Die Linke warnte trotz der Probleme vor neuen Rüstungsausgaben. "Die Logik, noch mehr Geld noch mehr Waffen hinterherzuwerfen, damit die Bundeswehr in noch mehr Auslandseinsätze ziehen kann, ist (...) völlig bizarr", erklärte Außenexperte Jan van Aken. "Von der Leyen versucht die Öffentlichkeit sturmreif zu schießen für weitere Erhöhungen ihres Verteidigungsetats." (dpa)