Kiew. Die Machtkämpfe in Kiew nehmen zu. Staatschef Poroschenko hat den Milliardär Igor Kolomoiski als Gouverneur von Dnipropetrowsk entlassen. USA liefern erste Militärgeländewagen an Ukraine.
Es ist schon Nacht in Kiew, als der ukrainische Präsident Petro Poroschenko seinen Machtkampf mit dem einflussreichen Gouverneur Igor Kolomoiski vor laufenden Fernsehkameras beendet. Kleinlaut bittet der mächtigste Mann in der Industrieregion Dnipropetrowsk - ein Milliardär wie der Präsident - um Entlassung.
Poroschenko unterschreibt die Urkunde. Sein wichtigster Statthalter in der Ostukraine im Kampf gegen die prorussischen Separatisten tritt ab. Schon seit langem steht der Oligarch mit seiner schwer bewaffneten Privatarmee in der Kritik.
Die Politik ist erschüttert
Wie ein Erdbeben erschüttert Kolomoiskis Abgang die Politik. Was nach außen hin so aussehen soll, als greife der im Machtapparat nicht unumstrittene Poroschenko endlich durch, halten viele Beobachter eher für einen offenen Ausbruch des Kampfes der Eliten um Einfluss und Geld. Ein Jahr nach dem Machtwechsel in Kiew verschärft sich die Konfrontation unter den Siegern der prowestlichen Maidan-Proteste.
Als Kolomoiski vor wenigen Tagen halbstaatliche Energieunternehmen in Kiew von bewaffneten Einheiten besetzen lässt, um seinen Einfluss dort zu sichern, reißt auch Poroschenko der Geduldsfaden. Der ukrainische Geheimdienst SBU wirft den Kolomoiski-Truppen zudem vor, einen seiner Offiziere getötet zu haben.
"Zynische Banditen ermordeten heimlich Menschen und einen Geheimdiensthauptmann, die ihnen im Weg standen", schimpft Poroschenko am Mittwoch bei der 23-Jahr-Feier des SBU. Die mutmaßlich von Kolomoiskis Leuten gesteuerten "Banditen" sollen sich zuletzt zunehmend vom SBU bei ihren Geschäften mit dem Kriegsgebiet gestört gefühlt haben.
"Effektive Kampfmaschienen"
Für Poroschenko ist es ein Tag, an dem er sich als starker Mann in Szene setzen kann. Eben hat er angekündigt, die von ihm kaum kontrollierbaren Privatarmeen abzuschaffen. In einer Regierungssitzung werden korrupte Zivilschutzbeamte verhaftet. Und in Kampfuniform nimmt der Staatschef stolz die seit langem erwarteten ersten US-Militärfahrzeuge entgegen. "Effektive Kampfmaschinen" seien das, sagt er. Sie sollen die nach verlustreichen Kämpfen geschwächten Streitkräfte stärken.
Die Streitkräfte, so verfügt es Poroschenko, sollen nun um ein Drittel auf 250.000 Mann wachsen. Die ersten britischen Militärausbilder sind bereits im Land. Im April sollen fast 300 US-Soldaten in einem Trainingscamp eintreffen. Und an der Front im Osten ersetzen immer mehr frische Kräfte müde Kämpfer. Vom Minsker Friedensprozess redet zumindest in Kiew kaum noch jemand.
Die Waffenruhe ist brüchig
Die Waffenruhe im Kriegsgebiet ist brüchig. Immer wieder hat Poroschenko angekündigt, die "okkupierten" Gebiete Luhansk und Donezk wieder unter Kontrolle Kiews zu bringen. "Es entsteht der Eindruck, dass die Machthaber alles tun, um keine friedliche Lösung des Konflikts zuzulassen", sagt der Parlamentsabgeordnete Juri Boiko vom Oppositionsblock in Kiew.
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Es gebe hier eine "Koalition des Krieges". "Sie schürt die Kriegshysterie, um die Leute abzulenken und um der Verantwortung zu entgehen für die miserable Lage - vor allem wirtschaftlich und sozial", meint er.
Kommentatoren in Kiew schreiben von schwerer Rivalität zwischen Regierungschef Arseni Jazenjuk und Präsident Poroschenko. Von einem politischen Zirkus und Chaos ist die Rede. Mit Spannung blicken viele nun auf Kolomoiskis Erbe in der Region Dnipropetrowsk.
Greift der Separatismus über?
Sein Rückzug aus dem öffentlichen Amt des Gebietsgouverneurs dürfte nicht folgenlos bleiben. Das oft als heimliche Hauptstadt bezeichnete Dnipropetrowsk liegt in Nachbarschaft zu den von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten Luhansk und Donezk.
Ob der Separatismus nun übergreift? Beobachter halten eine Revanche des in Ungnade gefallenen Oligarchen für möglich. Poroschenko habe nun eine "zweite Front" neben der Kriegsfront aufgemacht, heißt es in Kiew. Der reichste Mann der Region hat eigene Kampfverbände, Dutzende Parlamentsabgeordnete und ein Medienimperium hinter sich. Und ihm gehört das größte Finanzunternehmen des Landes, die "Privat Bank".
Wohl auch wegen dieser Grundausstattung schlugen die Aufständischen dem Oligarchen unlängst vor, doch selbst eine "Dnipropetrowsker Republik" zu gründen. Zumindest bisher galt Kolomoiski als Garant für die "Einheit der Ukraine".