Berlin. Wie ticken Deutsche-Ost und -West nach 25 Jahren Einheit? Eine große Studie zeigt: Es wächst zusammen, was zusammengehört. Doch Unterschiede bleiben.
Die Ostdeutschen bekennen sich 25 Jahre nach der Einheit klar zur Demokratie, viele hadern aber noch immer mit der Aufarbeitung ihrer DDR-Vergangenheit. Insgesamt wachsen die Bürger in Ost und West, was politische Kultur, Rolle von Frau und Familie, mieses Image von Politikern und hohe Lebenszufriedenheit seit 1990 angeht, immer stärker zusammen - obwohl regionale Unterschiede bleiben. Das geht aus einer groß angelegten Studie des Zentrums für Sozialforschung Halle (ZSH) im Auftrag der Bundesregierung hervor, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.
"Wir sind vereint, aber noch nicht eins", sagte die Ost-Beauftragte, Wirtschaftsstaatssekretärin Iris Gleicke (SPD). Erfreulich sei, dass die Wiedervereinigung im Osten für 77 Prozent und im Westen für 62 Prozent der Bürger als persönlicher Gewinn gelte. Dass die Demokratie die beste Staatsform ist, akzeptieren 82 Prozent der "Ossis" und 90 Prozent der "Wessis". Die Meinungsforscher von Infratest befragten dazu 2000 Deutsche ab 14 Jahren.
GedenkenOstdeutsche hadern mit dem Begriff "Unrechtsstaat"
Mit der praktischen Politik sind die Bürger aber weniger zufrieden. Politiker, Parteien und EU-Parlament werden im ganzen Land gleich gering geschätzt. Spannend sind die Einstellungen der Ostdeutschen zur DDR-Vergangenheit: 70 Prozent sagen heute klar, dass das politische System der DDR eine Diktatur war. Die Ansicht, dass die DDR auch ein "Unrechtsstaat" - der seine Bürger willkürlich verfolgte und überwachte - war, teilen aber nur 46 Prozent. Zuletzt hatte zu diesem Begriff bei der Thüringen-Wahl und dem Aufstieg von Bodo Ramelow zum ersten linken Ministerpräsidenten wieder eine Debatte getobt.
Die Autoren der Studie "Sind wir ein Volk?" glauben, dass viele Ostdeutsche im Rückblick ihren eigenen Lebenslauf nicht entwerten wollten. "Natürlich war die DDR ein Unrechtsstaat", meinte die Thüringerin Gleicke. Im Westen müsse jedoch endlich anerkannt werden, dass die große Mehrheit der Ostdeutschen einfach versucht habe, für sich und ihre Familien in der Diktatur etwas aufzubauen.
Der Westen profitierte vom Frauen- und Familienbild des Ostens
Beim Frauen- und Familienbild habe der Westen nach der Wende stark vom Osten profitiert, wo berufstätige Frauen und Ganztags-Kindergärten schon zu DDR-Zeiten normal waren. "Der Westen hat vom Osten gelernt", sagte der Forschungsdirektor am ZSH, Prof. Everhard Holtmann. Ostdeutsche Frauen und Männer seien in Sachen Emanzipation aber noch heute weiter als Westdeutsche.
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Aus Sicht der Bundesregierung betonte Gleiche, seit 1990 sei unglaublich viel geschafft worden. Die Akte Aufbau Ost dürfe aber nicht zugeklappt, keine "Schönfärberei" betrieben werden. Die Ost-Wirtschaftskraft habe erst Zweidrittel des Westens erreicht, Löhne und Renten seien niedriger. Die Politik habe ein Glaubwürdigkeitsproblem. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag eine Angleichung der Ost-Renten auf Westniveau bis 2019 zugesagt: "Die Koalition steht da bei den Ostdeutschen im Wort, und sein Wort muss man halten", sagte Gleicke. (dpa)