Essen. Die beim Gipfel in Minsk vereinbarte Waffenruhe für die Ostukraine tritt am Sonntag um 0 Uhr Kiewer Zeit in Kraft. Warum nicht sofort? Ein Kommentar.

Donnerstag, etwa zehn Uhr morgens: Wladimir Putin und Petro Poroschenko, Angela Merkel und Francois Hollande beschließen in Minsk einen Waffenstillstand für die Ost-Ukraine. In der Vereinbarung heißt es, die Beteiligten wollten eine "unverzügliche und allumfassende Unterbrechung des Feuers". Ab Sonntagmorgen, null Uhr, soll in der Krisenregion kein Schuss mehr fallen.

Unverzüglich? Zum Zeitpunkt, da in Minsk die Verhandlungsführer übernächtigt in ihre Limousinen Richtung Flughafen steigen, sind es bis zum Beginn der Feuerpause etwa 60 Stunden. Zweieinhalb Tage, während derer in Donezk, Lugansk Mariupol und anderen umkämpften Städten Soldaten und Rebellen weiter schießen und morden können, während derer Menschen sterben können - gewissermaßen vertraglich abgesegnet im pompösen Palast der Unabhängigkeit von Minsk. Warum dieser zeitliche Verzug? Warum eine Verlängerung der Kriegshandlungen über 60 Stunden, wenn man sich doch über eine Waffenruhe verständigt hat?

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Eine Begründung aus Minsk liegt dazu nicht vor. An mangelnder Kommunikation kann es wohl nicht liegen, in Zeiten von Handys und Satellitentelefonen. Es müssen schließlich keine reitenden Boten mehr ausgesandt werden, um die Botschaft vom Waffenstillstand in die Weiten der Ost-Ukraine zu transportieren. So drängt sich der Verdacht auf, dass der Start-Zeitpunkt für die Waffenpause eine Karte war in dem 17-stündigen Pokerspiel von Minsk. Womöglich ein kleiner Trumpf im Austausch gegen ein Zugeständnis der Gegenseite. In 60 Stunden lassen sich militärisch noch Fakten schaffen. Geländegewinne absichern, eigene Stellungen festigen, gegnerische Stellungen ausschalten. Waffenstillstand? Bis dahin noch 60 Stunden Zeit zum Töten. Das klingt zynisch? Genau das ist es auch.