Essen. . Im September verlassen drei renommierte Rathaus-Chefinnen der SPD ihre Arbeitsplätze. Männer wollen ihre Ämter erobern. Frauen sind alarmiert.

Mindestens drei populäre SPD-Oberbürgermeisterinnen im Ruhrgebiet verabschieden sich im Herbst aus den Rathäusern in Mülheim, Hattingen und Bochum. Als Nachfolger werden derzeit Männer gehandelt. Auch in den Ratsfraktionen von SPD und CDU bringen es Frauen meist nur zu Stellvertreter-Posten. Frauenrechtler sind alarmiert.

Es waren einmal: Frauen-Persönlichkeiten, die mit robuster Herzlichkeit zahlreiche Rathäuser im Ruhrgebiet eroberten. Resolute Damen, alle Sozialdemokratinnen, die viele Jahre lang die Geschicke ihrer Städte leiteten. Doch die „Power-Bürgermeisterinnen“ der SPD scheinen im Revier Auslaufmodelle zu sein. Ausgerechnet die Partei, die sich so viel auf ihre Frauenquote einbildet, scheint an der Ruhr nur noch einen Bürgermeistertyp zu kennen: den Mann.

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Dagmar Mühlenfeld (64), seit zwölf Jahren Oberbürgermeisterin in Mülheim, eine umtriebige Frau und respektierte Stadtschulden-Managerin, eine, die Reden gern mit „Sehr geehrte Herren und Damen“ einleitet, will nicht mehr. Möglicher Nachfolgekandidat der SPD ist Ulrich Scholten. In Bochum verabschiedet sich Ottilie Scholz (66) aus dem OB-Büro, und die Partei setzt an ihrer Stelle auf Thomas Eiskirch. In Hattingen tritt Dagmar Goch (65) im Herbst nicht mehr an, dort hält sich Manfred Lehmann für die SPD bereit. Und in Witten steht Sonja Leidemann (54) zumindest auf der Kippe. Anfang März soll die Partei zwischen ihr und Frank Schweppe wählen.

Das ganze Revier ist „herrlich“

Die Chef-Büros in diesen roten Rathäusern sollen also wieder zu Männer-Domänen werden. So wie die in Duisburg, Dortmund, Oberhausen, Bottrop, Essen, Herne, Gelsenkirchen, Hamm, Unna und Hagen. Langsam verblasst auch die Erinnerung an die Oberbürgermeisterinnen Annette Jäger (im Amt in Essen von 1989 bis 1999) und Eleonore Güllenstern („Miss Ellie“, OB in Mülheim von 1982 bis 1994).

Nicht wenige in der SPD finden diesen Trend furchtbar. Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) ist alarmiert. „Die Führungsspitze der SPD sagt bei jeder Gelegenheit: Lasst Frauen ran. Und dann tun wir es selber nicht“, ärgert sich die AsF-Landesvorsitzende Ulla Meurer. Ihre Partei habe „jede Menge qualifizierte Frauen“, die gern Verantwortung in Rathäusern und Ratssälen übernähmen. Wenn man sie nur ließe. „Mit Frauen in der Politik kann man fulminante Wahlsiege erringen, denken wir an Hannelore Kraft und Angela Merkel“, sagt Meurer. Und: Frauen seien für Frauen gut wählbar, das solle man in der Politik nicht unterschätzen.

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Antje Buck ist Gleichstellungsbeauftragte in Mülheim. Sie will sich nicht in Partei-Angelegenheiten einmischen („Es ist deren Entscheidung, wen sie als Kandidaten rekrutieren“), aber mit der Entwicklung in den Rathäusern kann sie sich nicht anfreunden. „Es sieht ja in den meisten Stadträten genauso aus. An den Fraktionsspitzen sind meist Männer“, so Buck. Tatsächlich schaffen es allenfalls die Grünen, Frauen an die Rats-Fraktionsspitze zu befördern. In SPD und CDU bekommen Rats-Frauen in der Regel nur Stellvertreterposten, so in Duisburg, Dortmund, Essen, Gelsenkirchen, Bochum.

Kampf mit harten Bandagen

Über viele Jahre sei in den Kommunen und in den Parteien um Gleichstellung gerungen worden, meint Antje Buck. „Und nun sehen wir, dass sich die Bürgermeisterinnen aus dem Revier verabschieden.“ Offenbar, mutmaßt die Gleichstellungsbeauftragte, seien künftig andere, noch bessere Werkzeuge vonnöten, um Frauen in der Kommunalpolitik zu unterstützen, „zum Beispiel ein verschärftes Landesgleichstellungsgesetz“.

Die SPD gehört zu den Parteien, die schon sehr früh die innerparteiliche Frauenquote einführten. 1988 beschloss die SPD auf ihrem Bundesparteitag in Münster die verbindliche Frauenquote. Bei einem Frauenanteil von knapp 27 Prozent sollten nach einer Übergangszeit 40 Prozent aller Spitzenpositionen mit Genossinnen besetzt werden. Die Quote gilt, aber über die Besetzung der Spitzenkandidatur in einer Kommune entscheiden die Mitglieder vor Ort – offenbar meist nicht im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit.

Die Vorsitzende des Frauenrates NRW, Patricia Aden, spricht von einer „Rückentwicklung“. In vielen Verbänden sei eine vergleichbare Entwicklung zu beobachten. Aden: „Da gehen die Warnlampen an, man sollte aber nun nicht in Panik verfallen. Gerade in CDU und SPD haben die Frauen sehr hart dafür kämpfen müssen, dass sie in Führungspositionen kommen können. Dennoch gibt es nun wieder den Trend zur Männer-dominierten Kommunalpolitik. Schwer zu sagen, woran dies liegt. Vielleicht glauben viele junge Menschen heute, dass Karriere für beide Geschlechter möglich ist. Dass Frauen sich heute nicht mehr besonders anstrengen müssen. Aber das stimmt nicht. Dort, wo die Macht verteilt wird, wird immer noch mit harten Bandagen gekämpft.“