Berlin. . Die Verunsicherung in der SPD ist groß - und hausgemacht: Parteichef Sigmar Gabriel hat die Genossen mitseinen Alleingängen verstört.
Die SPD macht in Familie. Bei der Vorstands-Klausur berät die Parteispitze seit Sonntag über neue Politikangebote für die „arbeitende Mitte“: Die 30- bis 50-Jährigen, die eine Familie gründen, im Job gefordert sind, oft noch Angehörige versorgen müssen – und der SPD zuletzt in großer Zahl den Rücken zukehrten. Um sie zurückzuholen, will die SPD die Bedürfnisse der „Sandwich-Generation“ stärker in den Blick nehmen, sagt Generalsekretärin Yasmin Fahimi .
Das „Gefühl der Zerrissenheit“ präge diese Generation, eine „große Verunsicherung“. Besser hätte Fahimi auch den Zustand ihrer Partei nicht beschreiben können. Ratlosigkeit macht sich in der SPD breit, die Geschlossenheit schwindet, die Widersprüche mehren sich: Die Arbeit in der Koalition hat sich noch immer nicht ausgezahlt, in Umfragen scheint die Partei festgemauert im 25-Prozent-Turm.
Der Schatten der Edathy-Affäre
Besorgt beobachten die Genossen, wie die Edathy-Affäre einen Schatten auch auf die Führungsriege wirft. Der Schaden sei schon jetzt erheblich, heißt es. Selbst beim Koalitionspartner Union werden unverhohlen Zweifel geäußert an den Darstellungen der SPD-Spitze über die Informationsabläufe in der Affäre um Kinderporno-Ermittlungen. Hat einer aus der Führung über einen Mittelsmann mehr Infos an Sebastian Edathy weitergegeben als eingeräumt?
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Der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann hat der Parteispitze durch sein Schweigen im Untersuchungsausschuss nur eine Atempause verschafft. Der Vorsitzende Sigmar Gabriel und Fraktionschef Thomas Oppermann müssen im Frühjahr vor dem Ausschuss aussagen. Vor allem Oppermann könnte noch massiv unter Druck geraten.
Verwirrende Botschaften
Seine Autorität ist schon jetzt angekratzt: Sein Vorstoß für ein Einwanderungsgesetz, das die Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten nach einem Punktesystem steuert, ist auf Eis gelegt. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und SPD-Vize Ralf Stegner haben das Vorhaben verärgert ausgebremst. Sie fürchten ein entmutigendes Signal an heimische Arbeitslose.
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Doch zurück bleiben nicht nur in diesem Fall verwirrende Botschaften und der Eindruck, der SPD fehle bei zentralen Themen ein klarer Kurs – vom Umgang mit Griechenland bis zum Freihandelsabkommen mit den USA. Ausgerechnet Parteichef Gabriel trage zu diesem Bild tatkräftig bei, klagen führende Genossen.
Scholz als Kanzlerkandidat?
Gabriel verstört seit Monaten Parteifreunde mit Alleingängen. So verwarf er im Handstreich alle Pläne für eine höhere Steuerlast auf Vermögen und hohe Einkommen, die zum Programmkern der Partei gehören. Der vorläufig letzte Einfall waren seine unabgestimmten Gespräche mit Pegida-Anhängern.
Einziger Lichtblick für die Genossen ist derzeit die Wahl in Hamburg am Sonntag. SPD-Vize und Regierungschef Olaf Scholz dürfte als klarer Sieger hervorgehen. Sollte er gar die absolute Mehrheit verteidigen, dürfte er zum Hoffnungsträger auch der ratlosen Bundes-SPD avancieren. Die Debatte, ob er nicht Kanzlerkandidat werden sollte, ist absehbar. Wird Scholz zum Konkurrenten von Gabriel?