Ruhrgebiet. Die Menschen im Ruhrgebiet leben gerne in ihrer Heimat. Gerade einmal 18 Prozent würden lieber woanders wohnen. Das ergab eine Umfrage.

Die allermeisten Menschen leben gerne im Ruhrgebiet. Das zeigt eine aktuelle Forsa-Studie, die von der „Global Young Faculty“ in Auftrag gegeben wurde, einem Netzwerk von Nachwuchswissenschaftlern der Stiftung Mercator und der Universitätsallianz Ruhr. „Dass 82 Prozent gerne hier leben, ist ein Identifikationswert, der uns natürlich freut, und der uns in dieser absoluten Höhe durchaus überrascht“, sagte Joscha Beckmann, der die repräsentative Umfrage koordiniert hat. Laut Forsa liege der Wert im Bundesdurchschnitt bei etwa 75 Prozent.

Unter den 18- bis 29-Jährigen sind es laut Ruhrgebietsstudie sogar 89 Prozent, am niedrigsten liegt der Wert bei denen, die in den letzten 20 Jahren ins Revier gezogen sind: 69 Prozent. Rund drei Viertel der Befragten leben seit der Geburt im Ruhrgebiet. Selbst bei Menschen, denen weniger als 1000 Euro im Monat zur Verfügung stehen, sind es gerade einmal 22 von hundert, die lieber außerhalb des Reviers leben würden.

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In der gesamten Region gibt es eine Art „Wir-Bewusstsein“

Auch die Veränderungen der letzten Jahre in ihrer Region empfinden die meisten als vorteilhaft: 64 Prozent ermittelte Forsa. Nur jeder fünfte glaubt, dass es insgesamt schlechter geworden sei. Etwa zwei Drittel finden, dass sie die Veränderungen persönlich spüren. „Bei den positiven Dingen“, so Beckmann, „wird immer wieder die Umweltsituation hervorgehoben, bei den negativen ist es besonders die Lage am Arbeitsmarkt und natürlich der immer noch zunehmende Verkehr mit den vielen Staus.“ Je niedriger der Bildungsabschluss und je niedriger das Einkommen, desto negativer wird die Entwicklung gesehen.

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Überraschend war für „Global Young Faculty“ allerdings auch eine andere Zahl: Immerhin 34 Prozent gaben an, sie fühlten sich eher dem Ruhrgebiet als der Stadt (36 Prozent) oder dem Stadtteil (26 Prozent) zugehörig, Männer noch eher als Frauen. „Bei allen Rivalitäten zwischen den Städten und bei aller regierenden Zerklüftung des Reviers ist doch bei einer nicht geringen Anzahl von Revierbewohnern eine Art ,Wir-Bewusstsein’ für die gesamte Region vorhanden“, hielten die Autoren der Studie fest.

51 Prozent glauben, dass es mit dem Ruhrgebiet weiter aufwärts geht 

Optimismus scheint den Menschen im Ruhrgebiet irgendwie im Blut zu liegen. Denn obwohl längst nicht alles rund läuft, leben sie nicht nur gerne hier und finden, dass sich die Region erfreulich entwickelt hat in den letzten Jahren, wie die Forsa-Umfrage zeigt. Sie blic­ken auch zuversichtlich nach vorne: 51 Prozent glauben, dass es mit dem Ruhrgebiet in den nächsten Jahren weiter aufwärts geht, nur etwa jeder Fünfte befürchtet, dass sich die Lage im Revier verschlechtert.

„Das sind gute Werte für das Ruhrgebiet“, kommentierte gestern Joscha Beckmann, der die repräsentative Umfrage unter 1004 Menschen für ein Netzwerk von jungen Wissenschaftlern der Stiftung Mercator koordiniert hat. Beckmann räumte in der Bewertung der Zahlen ganz und gar unwissenschaftlich und mit einer Prise Regionalpatriotismus ein: „Wir haben uns darüber sehr gefreut.“

Bildung und Forschung

Gegenwart und Zukunft, das ist natürlich auch ein Kampf mit den alten Klischees. Immerhin 70 Prozent der Befragten können sich gut anfreunden mit der Feststellung, das Ruhrgebiet habe sich „vom Kohlenpott zum Wissenschaftsstandort“ entwickelt. Es sind vor allem die Älteren, die das unterschreiben. Zwei Drittel unterstreichen es mit der Einschätzung, das Revier habe sich zu einem leistungsfähigen Bildungs- und Forschungsstandort entwickelt, die wenigsten finden, dass dem Revier hier nun ein Image übergestülpt werde, das so gar nicht zu ihm passt.

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Fast die Hälfte ist der Umfrage zufolge sogar der Ansicht, dass das Erscheinungsbild der Region durch die Hochschulen geprägt werde. Das klingt dann doch ein bisschen dicke, aber Joscha Beckmann beteuert, dass trotz der Nähe des Auftraggebers zu den Universitäten nichts durch Suggestivfragen zu Gunsten der Unis gesteuert worden sei. „Wir haben ja in der Studie offene Fragen formuliert.“

Das gilt auch bei der Verwendung von zusätzlichem Geld, so das Land NRW denn jemals mehr ins Revier pumpen würde, als es jetzt tut: Zwei von drei Befragten sehen es am besten bei Forschung und Bildung aufgehoben, nur elf Prozent in Straßen und Infrastruktur, obwohl es da doch einiges auszubessern gäbe in der Region. Kein Thema wurde schließlich häufiger genannt, wenn’s um die Probleme im Ruhrgebiet geht.

Zuwanderung und Probleme

Apropos Probleme: Bei der Zuwanderung, spätestens seit dem Dresdner Dröhnen von Pegida noch stärker im Blickpunkt als ohnehin, finden trotz intensiver Debatten auch hier gerade mal acht Prozent, dass sich die Lage verschlechtert habe. Es passt zu den eher kümmerlichen Versuchen der Protestbewegung, an Rhein und Ruhr Fuß zu fassen. Es sind, wenn überhaupt, eher die Jüngeren, die 18- bis 29-Jährigen, die daraus ein Thema machen: 14 Prozent – aber auch das ist dann nicht einmal jeder siebte.

Man findet in dieser Studie eben nichts wirklich Negatives, selbst wenn man drin stochert. Das mag man seltsam finden, wenn man will. Man kann es angesichts der vielen schlechten Nachrichten um uns herum aber auch einfach nur mal hinnehmen. So wie Joscha Beckmann: „Es ist eine Orientierung, mehr erst einmal nicht.“