Essen. Der Kölner Zug verzichtet auf Motivwagen zum Terror - das macht wütend, weil man erneut aus Furcht vor Konflikten demokratische Grundlagen aufgibt.

Man könnte sagen, es gehe ja nur um Karneval. Man könnte anmerken, dass der geplante Kölner Motivwagen zum blutigen Terroranschlag gegen die Satirezeitung Charlie Hebdo wohl in jedem Fall entweder unwitzig oder geschmacklos gewesen wäre. Also sei's drum?

Nein - was wirklich wütend macht, ist die Art und Weise, wie das Projekt beerdigt worden ist: kleinherzig und feige.

Vorauseilende Preisgabe von Grundsätzen

Ich glaube mittlerweile, dass viele Menschen genau wegen solcher Vorgänge den platten Pegida-Polemikern zuströmen: Weil Multi-Kulti-Ideologen Sankt-Martins-Umzüge in ein „Sonne-Mond und-Sternenfest“ umwandeln wollen, weil Aldi einen Seifenspender vom Markt nimmt, auf dem angeblich eine Moschee abgebildet ist (eigentlich könnte es auch die Hagia Sophia sein und die war immerhin 800 Jahre lang eine christliche Kirche), weil CSU-Politiker und Jura-Professoren nun über eine Verschärfung des Paragraphen 166 (Blasphemiegesetz) nachdenken, „um den öffentlichen Frieden zu sichern“, weil an Schulen manchmal achselzuckend hingenommen wird, dass Mädchen nicht am Sportunterricht teilnehmen oder an der Klassenfahrt … Diese vorauseilende Verbiegung von politischen Grundsätzen, für die viele Menschen in den vergangenen 200 Jahren viele große persönliche Opfer gebracht haben, das ist es, was einen sprachlos macht.

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Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung, Pluralismus sind das, wofür unsere Verfassung steht, die Pfeiler unserer Gesellschaft – aber trotzdem werden sie inzwischen in etlichen Einzelfällen praktisch kampflos aufgegeben, weil man Konflikte und die stets auf Abruf stehende Wut einer Minderheit scheut. Das ist ärmlich.

Auch ein Motivwagen ist Grundgesetz

Online-CvD Andreas Fettig ist sauer über die Kölner Entscheidung.
Online-CvD Andreas Fettig ist sauer über die Kölner Entscheidung.

Ob es einen Kölner Karnevalswagen über Charlie Hebdo und den islamistischen Terror gibt, mag wie eine nebensächliche Frage aussehen. Bei genauerer Betrachtung wird's aber grundsätzlich - und durchaus spannend: Denn wenn der Islam zu Deutschland gehören soll, dann muss er sich auch gefallen lassen, dass wir über ihn lästern. So sind die Gesetze in der freien Gesellschaft. Ja, selbst Propheten und Gottheiten stehen in diesem Land nicht über dem Grundgesetz - auch über sie darf gelacht werden. Das gilt für Mohammed genauso wie für Christus, Buddha, Krishna und Jahwe. Punkt! So, wie der Karneval sich eben über alle Obrigkeiten lustig macht. Das ist der Sinn von Karneval seit Jahrhunderten.

Wir wollen Witze über Ungläubige!

Das – schlechte Scherze, schreckliche Knittelreime inklusive - muss man nicht mögen. Aber wer das nicht erträgt, ohne gewalttätig werden zu wollen, darf nicht die Regeln ändern dürfen. Das sind wir uns schuldig, unseren Kindern und vor allem auch jenen Muslimen, die genau wegen dieser Regeln hier leben wollen. Sie werden vielleicht nicht über den Propheten lachen können – aber sie werden die Scherze ertragen und können im Gegenzug Witze über Christen und Ungläubige machen. Dazu würde ich dann auch gerne einen Motivwagen beim Karneval sehen.

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