Essen.. Sind Martinszüge noch zeitgemäß, sind sie politisch korrekt? Rüdiger Sagel, Chef der Linken in NRW, findet das nicht und fordert das Fest vor allem in staatlichen Kitas zu ersetzen. Es würde Kinder anderen Glaubens diskriminieren.

Eigentlich könnte die Figur des Sankt Martin Symbolfigur der Linkspartei sein: Teilen, sich solidarisch mit dem Armen zeigen - der heilige Sankt Martin müsste aus Linken-Sicht politisch 'voll korrekt' sein. Ist er aber nicht, behauptet Rüdiger Sagel, Chef der Linken in NRW, und hat damit Entrüstung ausgelöst: Weil Sagel fordert, dass Kitas künftig kein Sankt-Martin-Fest mehr feiern sollten.

Zu Hunderten ziehen in diesen Tagen Martinszüge durch Stadtteile und Dörfer im Land. Zumeist angeführt von einer Person zu Pferde, die einen weiten Mantel trägt und von Kita- und Grundschulkindern mit bunte Laternen begleitet wird.

Was Sagel daran stört? Die Botschaft des Sankt Martin - der seinen Mantel für einen Bettler teilt - sei zwar "überkonfessionell", meint Sagel. Sankt Martin selbst jedoch "ein katholischer Heiliger", noch dazu mit "einem militaristischen Hintergrund".

Die Linke plädiere hingegen für eine "strikte Trennung von Kirche und Staat". Deshalb hätte ein derartiges "konfessionelles Fest" in staatlichen Kindertagesstätten heutzutage nichts mehr verloren, zumal es dort "auch viele muslimische Kinder gebe", die sich durch den Brauch womöglich diskriminiert fühlten.

Muslimen-Vorsitzender hat mit Sankt Martin keine Probleme

Rückhalt von Muslimen hat Sagel damit allerdings nicht: Der Teilnahme muslimischer Kinder an Sankt-Martinszügen steht nach Ansicht des Zentralrats der Muslime nichts im Wege. So erklärt es der Vorsitzende, Aiman A. Mazyek, und erinnert sich: "Ich habe gerne mit meiner Mutter in der Grundschulzeit mitgemacht. Viele muslimische Familien nehmen das gerne auf, und dieser Laternen- und Fackelzug ist für Kinder und Erwachsene natürlich auch ein Spektakel."

Dass Sankt Martin ein katholischer Heiliger sei, stelle für Muslime keinen Hinderungsgrund da, sagt Mazyek: "Das Leben von St. Martin ist doch geradezu vorbildlich, auch für Muslime. Der Gedanke des Teilens spielt im Islam eine große Rolle". Inzwischen nehmen auch immer mehr muslimische Kinder an den Martinszügen teil.

Sagels Meinung, abgedruckt am Dienstag in einer Düsseldorfer Tageszeitung, löst unterdessen Wirbel aus - vor allem bei ihm. Sagel berichtet von "übelsten Beschimpfungen" per Mail und am Handy. Ein Gespräch mit den Leuten, die ihn da angehen, sei nicht möglich, sagt er: "Die brüllen mich am Telefon gleich an".

Die Stadt Bad Homburg hat vor wenigen Tagen ähnliche Erfahrungen gemacht. Dort war über einen Kindergarten berichtet worden, der angeblich Sankt Martin nicht mehr feiere, statt dessen ein "Sonne-Mond-und-Sterne-Fest", wie es auch Sagel vorschwebt.

In der Stadtverwaltung sah man sich nach Dutzenden Anfragen genötigt, eine Erklärung abzugeben: "Der Name des traditionellen Festes ist – anders als behauptet – niemals offiziell geändert worden, auch wenn von Eltern und Beschäftigten umgangssprachlich ein anderer Name verwendet wird", heißt es darin." Die betreffende Kita "wird auch weiter St. Martin feiern – und wenn jemand das als „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“ bezeichnen möchte, darf er das auch weiterhin tun." (dae/WE/mit dpa)