Essen. Die Attentate von Paris haben gezeigt, wie Haft den Terror fördern kann. Die NRW-Justiz fühlt sich gewappnet - auch weil ihr der Geheimdienst hilft.
Die nordrhein-westfälische Justiz geht davon aus, dass sie in ihrem Bereich die Anwerbung von neuen Terroristen in Gefängnissen verhindern kann. Diese gilt als ein Hauptgrund für die Terroranschläge von Paris Anfang Januar. "Es gibt bis dato keine Erkenntnisse, dass Häftlinge in unserern Gefängnissen versuchen, andere Mitgefangene zu radikalisieren", sagte Detlef Feige, Sprecher des NRW-Justizministeriums, unserer Redaktion. "Wir sind aber sehr wachsam - und wenn wir etwas beobachten, dann werden die Personen voneinander getrennt."
Zurzeit sind in NRW 32 Menschen inhaftiert, weil sie eine terroristische Vereinigung unterstützt oder ihr angehört haben sollen. Darunter sind neun U-Häftlinge, die der Terrormiliz IS zugeordnet werden, die übrigen standen in Verbindung mit Al-Kaida, mit der Islamischen Dschihad-Union (etwa die so genannten Sauerland-Bomber), mit den Deutschen Taliban-Mudschaheddin oder mit nicht-islamistischen Organisationen wie der kurdischen PKK. Die 32 Häftlinge wurden über die 37 Justizvollzugsanstalten des Landes verteilt - wohin genau, das behält die Justiz aber für sich.
Nach Angaben des Justizministeriums werden die Häftlinge von Gefängnismitarbeitern, Ermittlern und Verfassungschützern beobachtet. Wenn es geboten erscheint, kann ein Richter etwa bei Untersuchungshäftlingen Einzelhaft, Briefkontrolle oder Besuchsverbote verhängen. Bei einem Teil der IS-Verdächtigen, die in NRW in U-Haft sitzen, sei dies bereits der Fall, so Ministeriumssprecher Feige.
Verfassungsschützer auf Vortragsreise
Eine große Rolle spielen dabei äußere Anzeichen, die auf die Radikalisierung eines Häftlings hindeuten: Die Kleidung wird weiter, der Bart länger, ein Häftling zieht sich zurück - oder er versucht gar, andere zu missionieren. Worauf zu achten ist, erfahren die Justizmitarbeiter unter anderem vom Geheimdienst: Referenten des NRW-Verfassungsschutzes reisen herum und halten Vorträge über Salafismus in den Haftanstalten.
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Sich ganz verlassen auf die Beobachtungsgabe der Justiz will der Geheimdienst aber nicht. Denn gleichzeitig bemüht sich der Verfassungsschutz auch um eigene Erkenntnisse über verdächtige Häftlinge. "Wenn ein gewaltbereiter Islamist ins Gefängnis kommt, bleibt er natürlich trotzdem im Blick der Sicherheitsbehörden", versichert Jörg Rademacher, Sprecher des Innenministeriums in Düsseldorf.
Attentäter von Paris knüpften im Gefängnis Kontakt zu Al-Kaida
Die Anschläge von Paris Anfang Januar hatten in Frankreich umgehend eine Diskussion über die Haftbedingungen für einsitzende Islamisten ausgelöst. Denn nach allem, was man weiß, haben sich die späteren Attentäter Amédy Coulibaly und Chérif Kouachi 2005 im Gefängnis Fleury-Mérogis am Rande von Paris kennengelernt. Zwar war Kouachi bereits als Mitglied einer hochgenommenen Islamisten-Zelle in Europas größtes Gefängnis geraten; doch Coulibaly war damals noch ein gewöhnlicher Straßengangster, der wegen Raubs, Diebstahls, Drogen und Hehlerei einsaß.
Im Gefängnis gerieten beide unter den Einfluss von Djamel Beghal. Er gilt als Verbindungsmann von El Kaida in der französischen Hauptstadt, soll Attentate geplant und junge Männer angeworben haben. Zu jener Zeit saß er für zehn Jahre in Fleury-Mérogis ein - und fand dort ideale Bedingungen, um ganz in Ruhe weiter Terroristen anzuwerben.