Washington. New York und die gesamte Ostküste der USA stellen sich auf einen gewaltigen Schneesturm ein. 60 Millionen Menschen sind potenziell betroffen

Schneesturm "Juno" hat die US-Ostküste im Griff: Die Straßen waren am Montag praktisch autofrei, Schulen und Büros wurden vorzeitig geschlossen, die Metropolitan Opera sagte ihre Aufführung ab. Bis hoch nach Kanada sorgte die Schneefront an der US-Ostküste für einen Ausnahmezustand. Am Montagabend (Ortszeit) fiel zwar vorerst kein Schnee mehr; es sollte aber in der Nacht weitergehen.

Zuvor hatte selbst New Yorks Bürgermeister Bill De Blasio vor dem Blizzard gewarnt - obwohl er von Haus aus kein Alarmist ist. Anders als sein Vorgänger Michael Bloomberg schaltet New Yorks Bürgermeister öffentlich meist einen Gang zurück, wenn der Millionen-Metropole Ungemach droht. Vor dem Schneesturm, der seit Montagabend weite Teile der amerikanischen Ostküste von Maine bis New Jersey lahmlegen und bis zu 60 Millionen Menschen in Atem halten sollte, änderte der erste Beamte der Stadt die Tonlage dramatisch: „Meine Botschaft an alle New Yorker ist: Unterschätzt das bitte nicht. Bereitet euch auf etwas Schlimmeres vor, als wir es jemals gesehen haben.“

Der erste „Nor‘easter“ in 2015, so werden die aus Nordosten kommenden Blizzards genannt, die entstehen, wenn vor Neuenglands Küsten warme Meeresluft vom Golf von Mexiko auf Polar-Luft aus Kanada trifft, sollte nach Berechnungen der Meteorologen bis heute Abend (Dienstag) allein für Manhattan Schneemassen von mindestens 60 Zentimeter bringen.

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Bis zu 90 Zentimeter Schnee in New York

„Es könnten aber auch bis zu 90 Zentimeter werden“, sagte De Blasio. Das wäre beispiellos in der Geschichte der Stadt. Die geltende Rekordmarke für New York, traditionell gemessen im Central Park, ist neun Jahre alt und liegt bei 68 Zentimeter.

De Blasios Auftritt am Sonntag vor einer Polizeichwache, von vielen TV-Sendern live übertragen, sollte dem Risiko entgegenwirken, dass die Gefahr unterschätzt wird. Der Grund: Warnungen vor außergewöhnlichen Wetter-Phänomenen, ganz gleich zu welcher Jahreszeit, sind in den für Hysterie leicht empfänglichen USA oft zu hören. Nicht immer hält das Resultat mit den Ankündigungen Schritt.

Hamsterkäufe zwischen Bronx und Brooklyn

Bleibt der großen Schaden aus, wissen Psychologen der Columbia-Universität, „stumpft das Publikum ab und wird unvorsichtig.“ 2005, beim letzten großen Schneesturm im Großraum New York, starben trotz präziser Vorhersagen und Sicherheitsvorkehrungen 15 Menschen.

Angesichts der Hamsterkäufe, bei denen in den Super- und Baumärkten zwischen Bronx und Brooklyn bis gestern Nachmittag (Montag) wie immer Lebensmittelkonserven, Taschenlampenbatterien, Entfrostungsmittel, Schneeschaufeln und Strom-Generatoren ganz vorne rangierten und Dutzende Geschäfte regelrecht leergekauft wurden, muss der Weckruf diesmal verfangen haben.

"Dieses Ding macht mir wirklich Sorgen"

„Ich bin nicht leicht zu erschrecken“, sagte der 29-jährige Wall Street-Analyst Jerome Kersy am Mittag im Lokalfernsehen, „aber dieses Ding macht mir wirklich echte Sorgen.“ Kersy hatte gehört, was der Meteorologe Benjam Sipprell kurz zuvor in ruhigen Worten erklärtee: „Dieser Sturm hat das Zeug katastrophalen Schaden anzurichten.“ Der Mann vom Nationalen Wetterdienst denkt vor allem an die beklagenswert altertümliche Stromversorgung.

Selbst unter durchschnittlichen Schneelasten reißen in den USA regelmäßig die überirdisch angelegten Leitungen und verbannen Jahr für Jahr Hunderttausende Privathaushalte vorübergehend in die Dunkelheit.

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Straßen werden zur Sicherheit gesperrt

Dennoch rieten die Behörden der Bevölkerung in New York unisono: Bleibt zuhaus! Kern-Argument: Der öffentliche Personennahverkehr werde spätestens heute (Dienstag) weitgehend stillgelegt sein. Viele wichtige Straßen, etwa die Autobahn in Richtung Long Island, sollten bereits in der Nacht gesperrt werden. In vielen Schulen ist heute (Dienstag) nicht mit Unterricht zu rechnen.

Damit Krankenwagen trotz der Schneemassen zu Noteinsätzen durchdringen können, hält die Stadtverwaltung 2000 Schneepflüge bereit. Die Mitarbeiter sind zu 12-Stunden-Schichten eingeteilt. Um das Unfall-Risiko auf den maroden Straßen zu senken, wurden seit Samstag rund 1000 Schlaglöcher, teils 40 Zentimeter tief, provisorisch gefüllt.

Tausende Flüge mussten ausfallen

Der Flugverkehr im Nordosten der USA kam bereits am Montag großflächig zum Erliegen. Viele Fluggesellschaften zwischen New York und Boston bereiteten ihre Kunden vorab via E-Mail auf massive Beeinträchtigungen vor. Allein an den drei Drehkreuzen des „Big Apple“ - John F. Kennedy, LaGuardia und Newark - fielen knapp 2500 Flüge aus, so der Sender CBS.

In Boston/Massachusetts, wo neben gewaltigem Schneefall bitterkalter Wind mit Geschwindigkeiten bis zu 130 Kilometern pro Stunde und Sturmflut erwartet wurde, wurde der Flugverkehr komplett eingestellt.

Komplettes Fahrverbot in Connecticut

Das Internetportal FlightAware.com zählte bis Montagmittag insgesamt 5200 vorbeugende Flugabsagen und rechnet bis Wochenmitte mit „Stornierungen in Rekordhöhe“.

„Snowmaggedon“, wie der Sturm bereits genannt wird, beschränkt sich nicht auf New York. Von Maine, südlich der kanadischen Grenze, bis Pennsylvania sind Ausnahmeregelungen verhängt. Schulen schlossen früher als gewöhnlich, Firmen schickten ihre Mitarbeiter vor dem Stoßverkehr am Nachmittag nach Hause. In Connecticut gilt seit gestern Abend (Montag) ein komplettes Fahrverbot.