Düsseldorf. . Tausende demonstrierten in Düsseldorf für Vielfalt und Toleranz - nicht mal 200 Islam-Gegner kamen in die Landeshauptstadt. „Dügida“ ist zerstritten.

Die selbsternannten Retter des Abendlandes wirken hilflos, als sie Montagabend am Taxistand des Düsseldorfer Hauptbahnhofs Aufstellung beziehen. Nicht einmal 200 Anhänger sind dem Demonstrationsaufruf des Düsseldorfer Pegida-Ablegers „Dügida“ gefolgt. Sie versammeln sich um drei Deutschland-Fähnchen, die man aber kaum sieht, weil die Polizei dichte Ringe aus Einsatz-Hundertschaft, Reiterstaffel und Mannschaftswagen-Konvoi um das Grüppchen legen muss.

Dahinter schieben sich rund 5500 Menschen die Friedrich-Ebert-Straße entlang, die den traurigen „Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes“ zwei unmissverständliche Parolen entgegenschleudern: „Haut ab“ und „Nazis raus“. Die Landeshauptstadt ist an diesem Abend zwar längst nicht so machtvoll für Respekt und Vielfalt auf der Straße wie München oder Leipzig. Doch das vom Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) herbei gesehnte friedliche Signal aus NRW wird es dennoch.

Vier Polizisten verletzt im Krankenhaus

Bei der Demo wurden aber auch vier Polizisten verletzt. Aus den Reihen der Gegendemonstranten seien Wurfgeschosse geflogen, so die Polizei. Zudem habe es Versuche gegeben, die Absperrungen zu durchbrechen. Vier Beamte mussten ins Krankenhaus gebracht werden.

Auch interessant

Protest gegen Demo der Anti-Islam-Bewegung
Von Christian Gerstenberger, Sinan Sat, Stephan Wappner, Marc Wolko

„Wir sind Charlie. Wir sind nicht Pegida“, ist auf einem Schild zu lesen. „Toleranz ins Rampenlicht“ auf einem anderen. Graubärtige Altlinke sind da, schwarz gekleidete Antifa-Aktivisten, vor allem aber eine bunte Mischung aus Jungen und Alten, Kinderwagen und Lodenmänteln, Migranten, Studenten, Rentnern. „Wir setzen ein Zeichen und essen einen Döner“, witzeln die einen am Bahnhofsimbiss. Betroffen und leise wirken die anderen.

Der Rheinturm blieb unbeleuchtet

Der Versuch der Pegida-Bewegung, sich unter dem Eindruck der islamistischen Anschläge von Paris im Westen etablieren zu können, darf zumindest an diesem Montag als gescheitert betrachtet werden. Schon Anfang Dezember beim ersten „Dügida“-Aufruf hatten sich nur rund 450 Demonstranten in Düsseldorf verloren. „Bogida“ in Bonn und „Kögida“ in Köln verliefen derart kläglich, dass man sich in NRW auf die Landeshauptstadt konzentrieren wollte.

Auch interessant

Die rheinische Ausgabe der Pegida wird obendrein von einem Führungsstreit erschüttert. Die Demo am Montag wurde von Melanie Dittmer angemeldet, die im Vorstand der rechtsextremen Splitterpartei „Pro NRW“ sitzt und mit relativierenden Äußerungen zum Holocaust („völlig unerheblich“) Entsetzen hervorgerufen hatte. In diesem Umfeld schienen sich andere, die lieber nationalkonservativ blinken und sich auf diffuse Islam-Ängste berufen wollen, nicht mehr wohl zu fühlen. Dittmer darf jedenfalls nicht mehr für jene Pegida sprechen, die in Dresden beträchtlichen Zulauf erfuhr.

Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Künstlern und Sportlern gegen "Dügida"

„NRW ist tolerant“, rief Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) am Montag als Hauptrednerin der Gegenkundgebung ins Mikrofon. In Düsseldorf lebten 180 Nationen friedlich zusammen. „Unsere Antwort auf Terror, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Einschüchterungsversuche ist klar und unmissverständlich: Wir verteidigen das freie Wort und unsere Demokratie“, erklärte die protokollarisch höchste Repräsentantin des Landes.

Auch interessant

köln_Protest.jpg
Von Christine Holthoff und Sophia Schauerte

Anders als die rheinischen Nachbarn in Köln tun sich die Düsseldorfer gemeinhin schwerer, auf der Straße Flagge zu zeigen. Diesmal hatte sich aber binnen weniger Tage ein Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Künstlern oder Sportvereinen wie Fortuna Düsseldorf formiert. Inspiriert wurde es vom konsequenten Neu-OB Geisel, der bis vor das Oberverwaltungsgericht zog, um durchzufechten, dass er als städtischer Amtsträger zum Widerstand gegen Pegida aufrufen darf. Er könne – trotz aller gebotenen parteipolitischen Neutralität - in einer Frage von Humanität und Toleranz kein seelenloser Technokrat sein, so Geisel. Er bekam Recht. Der Rheinturm, das Wahrzeichen der Stadt, blieb unbeleuchtet und verschwand in einer schwarzen Nacht, in der nur das Knattern des Polizei-Hubschraubers noch daran erinnerte, dass irgendwo hier Pegida sein sollte.

Bundesweit rund 100.000 Menschen bei Anti-Pegida-Demos 

Als Reaktion auf die Terroranschläge in Paris haben in vielen deutschen Städten Zehntausende Menschen für ein friedliches Zusammenleben der Religionen demonstriert. Die größten Kundgebungen gab es am Montagabend in Leipzig, München und Hannover. Bundesweit nahmen nach Schätzungen insgesamt etwa 100.000 Menschen an den Kundgebungen teil.

In Dresden, wo die Pegida-Bewegung ihr Zentrum hat, folgten am Abend nach Polizeiangaben auf der Gegenseite 25.000 Anhänger einem von zahlreichen Politikern kritisierten Aufruf zu einem Trauermarsch. Es waren so viele wie nie zuvor. Bereits am Samstag hatten sich in Dresden 35.000 Menschen zu einer Kundgebung für Weltoffenheit und Mitmenschlichkeit versammelt.

30.000 stellten sich in Leipzig dem Aufmarsch von "Legida" entgegen

Trotz der Pegida-Ankündigung, im Gedenken an die Terroropfer von Paris mit Trauerflor aufzumarschieren, waren am Montagabend nur wenige Deutschlandfahnen mit schwarzen Bändern zu sehen. An anderen Orten fanden die Veranstaltungen der Pegida kaum Anklang. In Berlin versammelten sich nur einige hundert Anhänger.

Auch interessant

In Leipzig stellten sich am Montagabend rund 30.000 Menschen dem Aufmarsch des Pegida-Ablegers Legida entgegen. Dabei kam es vereinzelt zu Rangeleien. In München nahmen rund 20.000 Menschen an einer Demonstration unter dem Motto "München ist bunt" teil. Bei einer großen Gegendemonstration in Hannover zählten die Veranstalter 17.000 Teilnehmer.

In Saarbrücken versammelten sich 9000 Menschen zur Protestdemonstration unter dem Motto "Bunt statt braun". Das gesamte saarländische Kabinett beteiligte sich an der Demonstration.

Spitzen von Staat und Gesellschaft wollen Dienstag demonstrieren

Die Spitzen von Staat und Gesellschaft wollen an diesem Dienstag (18 Uhr) gemeinsam am Brandenburger Tor in Berlin mit den Muslimen in Deutschland gegen islamistischen Terror und für ein friedliches Zusammenleben der Religionen demonstrieren. Unter anderem ist eine Rede von Bundespräsident Joachim Gauck geplant.

Auch interessant

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte nach den Terroranschlägen in Paris mit 17 Toten vor einer pauschalen Verurteilung der rund vier Millionen Muslime, die in Deutschland leben. Der frühere Bundespräsident Christian Wulff hatte gesagt, der Islam gehöre zu Deutschland. "Dieser Meinung bin ich auch", sagte Merkel in Berlin nach einem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu.

In München machten sich Anti-Pegida-Demonstranten auf Transparenten für "Freiheit und Toleranz" stark. "Wir stehen hier, weil wir das Feld nicht denen überlassen wollen, die versuchen, unsere Gesellschaft zu spalten", rief Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bei der Kundgebung.

In Berlin demonstrierten rund 4000 Menschen gegen die Pegida-Bewegung. Sie zogen vom Bundeskanzleramt zum Brandenburger Tor. Auf Transparenten stand mit Bezug auf die Terroranschläge von Paris und die deutsche Pegida-Bewegung: "Wir sind Charlie. Wir sind nicht Pegida." Auf der anderen Seite des Berliner Wahrzeichens versammelten sich etwa 400 Anhänger des Berliner Pegida-Ablegers Bärgida. Nach Auskunft der Polizei blieb es friedlich. (mit dpa)