Moskau. Ex-Präsident Gorbatschow verurteilt die Sanktionen gegen Russland scharf. Im “Spiegel“ warnt er vor Krieg und spart nicht mit Kritik an Deutschland.
Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow (83) hat wegen der Ukraine-Krise vor einem großen Krieg in Europa gewarnt. "Wenn angesichts dieser angeheizten Stimmung einer die Nerven verliert, werden wir die nächsten Jahre nicht überleben", meinte Gorbatschow in einem Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", das an diesem Samstag erscheint.
Gorbatschow prangerte einen "katastrophalen Vertrauensverlust" zwischen Russland und dem Westen an und forderte dazu auf, die Beziehungen zu enteisen. "Wir brauchen ein neues Tauwetter", sagte er.
Gorbatschow: Deutsche an "neuer Teilung Europas" beteiligt
Scharf kritisierte der Ex-Sowjetpräsident, viele Deutsche wollten bei einer "neuen Teilung Europas" mitmachen. "Deutschland hat im Zweiten Weltkrieg schon einmal versucht, seinen Machtbereich nach Osten zu erweitern. Welche Lektionen braucht es noch?", mahnte Gorbatschow, der als einer der Wegbereiter der deutschen Einheit gilt.
Zudem verurteilte er die Sanktionen des Westens gegen Russland, mit denen seiner Darstellung zufolge das Riesenreich international isoliert und Kremlchef Wladimir Putin gestürzt werden solle. Dieses Vorgehen bezeichnete er als "saudumm und höchstgefährlich". Gorbatschow hatte in den vergangenen Monaten mehrfach vor einem neuen Kalten Krieg gewarnt und die Politik Putins verteidigt.
Zwar trat Gorbatschow auch diesmal für die umstrittene Annexion der Halbinsel Krim durch Russland ein, doch lehnte er Putins autoritären Führungsstil ab. "Es ist schlicht nicht in Ordnung, wenn jemand wie der Anti-Korruptions-Blogger und Politiker Alexej Nawalny unter Hausarrest gestellt wird, nur weil er den Mund aufgemacht hat", sagte Gorbatschow.
Nawalny steht seit Februar unter Arrest und war am 30. Dezember in einem weiteren, als politisch motiviert kritisierten Prozess zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. (dpa)