Berlin. . Die Alleinherrscher-Allüren des AfD-Vorsitzenden Lucke gehen seinen beiden Co-Sprechern zu weit. Sie begehren öffentlich gegen den Gründervater auf.

Bernd Lucke ist im Skiurlaub. In der Schweiz verfolgt der Chef der Alternative für Deutschland (AfD), wie in der Partei ein Machtkampf seinen Lauf nimmt. Lucke hat ihn gewollt. Er will alleiniger Vorsitzender werden. Dagegen begehren einige in einem Brandbrief auf, allen voran seine bisherigen Co-Sprecher Frauke ­Petry und Konrad Adam.

Die AfD ist darob in tiefe Grabenkämpfe verfallen. Für den Parteitag vom Ende Januar in Bremen sammelt Lucke offenbar seine Truppen: Am 18. Januar trifft er in Frankfurt die Kreisvorsitzenden. Zuvor wollen Petry und Co. ihn zur Rede stellen. Es droht ein Aufstand. Bricht die AfD wirklich mit ihrem Zugpferd?

Den Nerv der Zeit getroffen

Lucke hatte aus Ärger über das Euro-Krisenmanagement der ­Merkel-CDU eine Partei gegründet und damit einen Nerv getroffen. Die AfD sitzt nach nur zwei Jahren schon in drei Landtagen (Sachsen, Brandenburg, Thüringen) und im EU-Parlament. Dass Lucke gern von „meiner Partei“ spricht, empfinden seine Kritiker nicht als Floskel, sondern als entlarvend. In dem dreiseitigen Brief, der am Wochenende bekannt wurde, werfen sie ihm Alleingänge und eine Führung „nach Gutsherrenart“ vor.

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Die Partei hat längst Tausende Mitstreiter und ist breiter denn je aufgestellt. Das führte dazu, dass Menschen dazustoßen, „die nicht allein Alternativen zum Euro ­suchen“, schreiben die Rebellen. Es seien Bürger, die eine islamische Überfremdung befürchteten oder „die sich ein europäisches Haus nicht gegen Russland wünschen“.

Selbstbewusste Gegenspieler

Petry unterstützt die Pegida- ­Bewegung. Das gilt auch für Alexander Gauland, der den AfD-Verband in Brandenburg anführt und in der Ukraine-Krise viel Verständnis für Russland zeigt.

Gauland, aber auch der Chef der NRW-AfD, Marcus Pretzell, haben Adams und Petrys Brief an Lucke ebenfalls unterschrieben. Sie ­führen große oder erfolgreiche ­Verbände, sind selbstbewusst und wollen das Feld nicht Lucke allein überlassen. Es geht um Alleinherrscher-Allüren, letztlich um poli­tische Differenzen. So haben sie sich geärgert, dass Lucke im ­EU-Parlament für die Sanktionen gegen Russland gestimmt hat.

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In dem Brief heißt es, „dies alles, Lieber Bernd Lucke, sind Themen, die eine Persönlichkeit allein nicht glaubwürdig repräsentieren kann, vor allem nicht, wenn sie diese ­inhaltlich nicht teilt“. Sie wollen, dass mehrere Sprecher die Partei führen und sich die Themen auf­teilen. Lucke wäre für die Euro- Frage zuständig. Nur dafür.

"Keine drei Dirigenten"

Wenn er so etwas hört, ist Hans-Olaf Henkel bedient. Gerade ist eine böse E-Mail von ihm an Adam bekannt geworden. Henkel sitzt neben Lucke im EU-Parlament, auch er ist fokussiert auf das Euro-Thema, auch er ist ein begnadeter Alleinunterhalter. Dem früheren BDI-Präsidenten hat die Partei viel zu verdanken: Glamour, Geld.

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Er will „verhindern, dass die AfD nach rechts abdriftet“. Das Modell der drei Sprecher habe sich nicht bewährt. Den Beweis dafür, dass Lucke richtig liege, habe die Vielstimmigkeit der letzten Wochen ­geliefert. Im „Tagesspiegel“ sagte Henkel, kein Orchester ­werde von drei Dirigenten geleitet, kein Fußballverein von drei Cheftrainern. Lucke soll die Nummer eins werden, und genau das wollten Gauland und andere ihm aus­reden, zunächst unter vier oder sechs Augen. Wenn man ihnen glaubt, hat Lucke sie aber abserviert. Deswegen ihr Brief.

Zwei Treffen in Frankfurt

Und Lucke? Er sucht die Entscheidung. Dafür spricht, dass er noch vor seinem Urlaub die Kreisvor­sitzenden für den 18. Januar, 12 Uhr, nach Frankfurt bat. Seine Kritiker erkannten den Sinn des Manövers: Gelingt es ihm, Hunderte Entscheidungsträger „auf Linie“ zu bringen, wird in Bremen eine Satzungsänderung und damit seine Wahl zum alleinigen Parteichef realistisch.

Um das zu verhindern, bitten die Gegner in einem Brief ihrerseits zum Gespräch. Termin: Gleichfalls der 18. Januar, Treffen ab 9 Uhr – also drei Stunden vor Luckes Treffen mit den Kreisvorsitzenden.

Wenn sie sich nicht einigen, droht eine Zerreißprobe. Verliert Lucke in Bremen, könnte er sich aus der Führung zurückziehen. Ein Dilemma. Denn: „Ohne ­Lucke geht es nicht“, räumt Adam ein, „aber so, wie er agiert, geht es eben auch nicht.“

Auffällig still beobachtet die Union die Schlammschlacht. Sie hat stets gehofft, die AfD würde sich selbst zerlegten. Die Christdemokraten wollen nicht stören.