Berlin. Die Bürger sollen Obst- und Gemüsereste nicht mehr im Hausmüll entsorgen. Ab Januar tritt eine bundesweite Sammelpflicht in Kraft.

Es suppt. Es stinkt. Also lieber gleich ab damit in den Hausmüll. Bananen- und Möhrenschalen, vergammelte Tomaten und Essensreste separat zu sammeln, ist oft beschwerlich. Aber ab 1. Januar gilt eine bundesweite Pflicht zum getrennten Sammeln von Bioabfällen. Hersteller kompostierbarer Beutel wittern ein großes Geschäft, um Millionen Verbrauchern das Sammeln zu erleichtern.

Das 2012 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz sieht vor, dass Bioabfälle "spätestens ab dem 1. Januar 2015 getrennt zu sammeln" sind. Laut Bundesumweltministerium haben 340 der etwa 400 Stadt- und Landkreise schon eine Biotonne eingeführt, aber mehrere Millionen Bürger haben noch keine Tonne oder anderweitige Optionen, um getrennt gesammelte Bioabfälle zu entsorgen. Zuständig sind die kommunalen Entsorger - die Länder müssen die Einhaltung des Gesetzes überwachen und notfalls einschreiten. Doch so rasch wird das nicht passieren: In NRW etwa muss der Landtag noch die Umsetzung des Kreislaufgesetzes beraten und beschließen. Die Rede ist von Übergangsfristen bis zum Jahr 2021.

Nährstoff- und Energiegewinnung durch Reste

Was soll die Vorgabe bringen? Da ist zum einen die Energiewende - Biomüll lässt sich zur Energieerzeugung in Biogasanlagen verwenden. Das kann auch den hohen Maisanteil mit all den negativen ökologischen Auswirkungen von Mais-Monokulturen etwas dämpfen. Und Bioabfälle können als Dünge- oder Bodenverbesserungsmittel in der Landwirtschaft genutzt werden - und so herkömmlichen Dünger und Torf ersetzen. "Jeder Einzelne kann hier durch Mülltrennen einen Beitrag leisten", sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). "Aus Resten entstehen neue Möglichkeiten zur Nährstoff- und Energiegewinnung."

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Für den Absatz von Ökobeuteln ist eigens ein Lobbyverband gegründet worden. "Das Marktpotenzial von Bioabfallbeuteln würden wir grob geschätzt auf ungefähr 150 Millionen Beutel pro Jahr in Deutschland beziffern", sagt Katharina Hinse vom Verbund kompostierbare Produkte. Entscheidend ist für eine Zulassung die EU-Norm EN 13432, diese legt fest, wie weit Beutel sich zersetzen und kompostierbar sein müssen.

"Zurzeit befinden sich noch rund 5 Millionen Tonnen Bioabfälle im Hausmüll", meint Hinse. Und diese würden dann in der Regel in einer Müllverbrennungsanlage landen. "Bioabfallbeutel können dazu beitragen, dass mehr Bioabfälle getrennt über die Biotonne entsorgt werden." Bisher werden pro Jahr vier Millionen Tonnen Bioabfall eingesammelt. Das bedeutet, dass bisher pro Kopf in Deutschland noch über 62 Kilo an Gemüse-, Obst- und Essensresten und Gartenabfälle im normalen Müll landen könnten. Da schlummert also großes Potenzial.

Höhere Müllgebühren werden nicht ausgeschlossen 

Müll ist in Deutschland ein lukratives Geschäft, weil er in hohem Maße wiederverwertet wird, die Biomüll-Sammelpflicht ist der nächste Schritt. BASF hat in Ludwigshafen bereits eine Produktionsanlage mit einer Kapazität von 74.000 Tonnen kompostierbaren Kunststoffen im Jahr. In Modellversuchen, bei denen Haushalte Biobeutel ausgehändigt bekamen, wurden BASF zufolge 20 Prozent mehr Bioabfälle eingesammelt.

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Aber es gibt Kritik, ob die Beutel wirklich geeignet sind und leicht abbaubar sind. Bestandteile sind biologisch abbaubarer Polyester, gemischt mit Maisstärke, Zellulose und Polymilchsäure. Hinse betont, bei Tests seien die Beutel nach "zwei Wochen Rotte nachweislich abgebaut" gewesen. Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe sieht das in der Praxis etwas anders. "Die Temperaturen von über 60 Grad und 90 Prozent Luftfeuchte schaffen viele Kompostanlagen gar nicht, so dass sie im Ergebnis Plastikfetzen im Kompost haben."

Irritation um Beutel

Die Beutel könnten von Plastiktüten kaum auseinander gehalten werden. "Deshalb sortieren viele Kompostierer das gesamte Plastik noch vor dem Eingang in die Rotte heraus." Auch vor der Vergärung in Biogasanlagen müssten sie erst rausgesucht werden. Fischers Tipp: "Einen verschließbaren Bioabfalleimer mit Zeitungspapier auslegen."

Eine andere Frage ist, ob Bürgern nun Gebührensteigerungen drohen durch den neuen Aufwand. Hier betonte die Bundesregierung jüngst auf eine Anfrage der Grünen, das dies nicht ausgeschlossen werden kann. "Bei extrem dünn besiedelten Regionen können sich möglicherweise überproportionale Kosten- und Abfallgebührensteigerungen ergeben", hieß es. Das Bundesumweltministerium betont, dass mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit eine gute Qualität getrennt gesammelter Bioabfälle zu erreichen sei - "Fehlwürfe" sollen vermieden werden.

Vor zwei Jahren wurde in Görlitz mal ein lebendes Kaninchen in einer Biomülltonne entsorgt - das sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Der Bundesverband der Entsorgungswirtschaft (BDE), der die privaten Entsorger vertritt, kritisierte zuletzt eine zu schleppende Umsetzung der Sammelpflicht. "Private Unternehmen sind gerne bereit, die notwendigen Investitionen zu tätigen, um eine Getrenntsammlung und Bioabfallverwertung zu realisieren", rührte Präsident Peter Kurth die Trommel für seine Unternehmen, um die Bio-Abfälle einzusammeln. (dpa)