Berlin. . Die Verteidigungsministerin streitet an vielen Fronten, doch die Ministerin hat gute Nerven. Das beweist sie auch beim Truppenbesuch in Afghanistan.

Sie ist noch zum Weihnachtsmarkt gegangen. Nach Party war Ursula von der Leyen aber nicht zumute, auch machte die Verteidigungsministerin keine Fotos mit den Soldaten. Erst eine Stunde zuvor hatte sie erfahren, dass ihr Vater gestorben war. Wohl jeder hätte verstanden, wenn die Ministerin am Wochenende ihre zweitägige Visite in Afghanistan abgebrochen hätte. Doch von der Leyen hielt es für ihre Pflicht, die Bundeswehrsoldaten in Masar-i-Sharif zu begrüßen und ihnen zu danken: „Deutschland blickt auf sie mit Stolz und Respekt“. Sie zog den schmerzlichen Auftritt durch.

Selbstbeherrschung, Nervenstärke, Härte: Beim Truppenbesuch trat offen zutage, was ihr das neue Amt abverlangt. Vor einem Jahr war die Nachricht von der ersten Frau an der Spitze des Verteidigungsressorts die spektakulärste Personalie der Großen Koalition. Von der Leyen war damals klar, dass sie erstens den 13-jährigen Kampfeinsatz am Hindukusch und zweitens die Bundeswehr-Reform zu Ende bringen muss. Man konnte ahnen, dass die frühere Familien- und Sozialministerin ihre bisherigen Stärken auch im neuen Amt ausspielen würde.

Von der Leyen gab sich als Kümmerin

Ihre erste große Ankündigung war denn auch eine Attraktivitätsoffensive. Von der Leyen wollte die Arbeitsbedingungen – gerade für Frauen – verbessern. Sie griff Klagen aus der Truppe auf. Sie war jetzt die Kümmerin. Fast vergaß man, dass die 56-jährige von der eigentlichen Materie – von den Militärs – recht wenig verstand.

Die ersten zwölf Monate wurden zum Crash-Kurs in Krisenmanagement. Die Abkehr von der Kultur der militärischen Zurückhaltung zeichnete sich mit dem Mali-Einsatz und nach der Rede von Bundespräsident Joachim Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz ab. Er forderte, mehr Verantwortung zu übernehmen. „Gleichgültigkeit ist keine Option“, so von der Leyen. Der Realitätstest ließ nicht lange auf sich warten.

Lästern über die „Foto-Uschi“

Es folgten in diesen zwölf Monaten die Verschärfung der Ukraine-Krise, die nicht spurlos an der Bundeswehr vorbeiging, der Ebola-Hilfseinsatz, der Vormarsch der IS-Terroristen im Nord-Irak. Nun lieferte man Waffen ins Spannungsgebiet, an die Kurden, ein Tabubruch. Daheim häuften sich unterdessen die Rüstungspannen. Längst hatte von der Leyen mehrere Spitzebeamte gefeuert oder versetzt und externe Experten auf das Beschaffungswesen angesetzt.

In den Medien ist sie allgegenwärtig – nicht nur wegen der Krisenherde. Ein Hang zur Selbstinszenierung wurde ihr schon früher nachgesagt. In der Koalition zerrissen sie sich alsbald das Maul über „Foto-Uschi“. Die SPD riet der Ministerin, sich mehr mit der Bundeswehr zu beschäftigen und weniger „Fototermine zu machen“.

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Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Allerdings sind die Sozialdemokraten nicht die einzigen, die bei der Ministerin eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit ausmachen. Auch die Wähler sind noch nicht überzeugt. Auf der Sympathieskala im letzten Politbarometer rangiert sie auf Platz sieben. Beliebt ist sie auch in den eigenen Reihen nicht. Die CSU hat sich nie mit ihr anfreunden können. Bei der Wahl der CDU-Vize bekam sie das schlechteste Ergebnis. Und doch gilt sie in der Union neben Innenminister Thomas de Maizière als die aussichtsreichste Kandidatin für die Merkel-Nachfolge.

Von der Leyen hat Ausstrahlung, ist durchsetzungsstark. Der Aufstieg gelang ihr mit einem kleinen Kreis von Mitstreitern. Sie dürfte auch die nächste Karrierestufe als Einzelkämpferin angehen. Hart im Nehmen ist Ursula von der Leyen.