Düsseldorf. . Gastwirte, Bäcker, Metzger und Lebensmittel-Händler müssen Kunden ab Samstag darüber informieren, welche Allergene in ihren Produkten stecken.
Mit der Kennzeichnungspflicht für 14 Inhaltsstoffe – von Nüssen bis Milch – reagieren die Europäische Union und der Bund auf die steigende Zahl der Allergiker. Nach Angaben des Allergie- und Asthmabundes sind in Deutschland bis zu sechs Millionen Menschen von einer Allergie gegen bestimmte Nahrungsmittel betroffen.
Künftig müssen Betreiber von Restaurants Allergene direkt auf Speisekarten in einer Fußnote kennzeichnen oder gut sichtbar Hinweisschilder aufstellen, dass eine spezielle Allergikerkarte bereit liegt. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sieht in der Kennzeichnungspflicht einen Schutz der Allergiker, für die Nahrungsmittel bisher „eine riesige Blackbox waren“.
Gastronomen beklagen "Gängelung"
Isabell Mühleisen, Ernährungsreferentin der Verbraucherzentrale, erwartet aber, dass die „auf den letzten Drücker“ beschlossene Verordnung nicht überall sofort am 13. umgesetzt wird. Auch der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Nordrhein-Westfalen geht davon aus, dass sich die „Regelung erst einspielen muss“. Mitten im Weihnachtsgeschäft sei die Einführung ein Problem, sagte Dehoga-Sprecher Thorsten Hellwig. „Viele Gastronomen beklagen eine bürokratische Gängelung, weil das bisherige System auch funktioniert hat.“
Hellwig ist aber sicher, dass „es klappen wird“. Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte die Verordnung als „Lizenz zum Weiterschummeln“. So würden Kunden bei den meisten Lebensmitteln weiter nicht über die Herkunft der wichtigsten Zutaten informiert. Die Dachorganisation „Die Lebensmittelwirtschaft“ warnte vor dem hohen Aufwand für kleine Firmen, wenn ab Dezember 2016 auch eine Nährwert-Kennzeichnung für vollverpackte Ware Pflicht wird.
Das müssen Sie zur Kennzeichnungspflicht wissen:
Ein Restaurantbesuch mit Freunden kann zum frustrierenden Erlebnis werden statt zum fröhlichen Abend – dann nämlich, wenn man allergisch auf bestimmte Zutaten reagiert oder unter einer Unverträglichkeit gegen manche Lebensmittel leidet.
Je nach Ausprägung kann das Angebot auf der Speisekarte dann schnell zusammenschrumpfen: Milchprodukte, Nüsse, Zimt, Äpfel Tomaten und viele andere Lebensmittel können von Durchfall und Bauchweh bis hin zu Ausschlag und Erstickungserscheinungen verschiedenste Reaktionen hervorrufen. Die vorsorgliche Nachfrage bei der Bedienung („Ist da Laktose drin?“) bringt auch nicht immer die gewünschte Klarheit über die Inhaltsstoffe. Da heißt es dann: Risiko oder Verzicht?
Wie sieht die künftige Praxis aus?
Ab Samstag soll es besser werden, wenn Restaurants eine Information über die Inhaltsstoffe der angebotenen Speisen für die Gäste bereithalten müssen. Wie sich das in den Lokalen einspielen wird, muss sich allerdings erst noch zeigen. Im Restaurant soll der Gast also künftig erkennen können, ob das Wiener Schnitzel Gluten oder Ei enthält. Weil viele Wirte aber den abschreckenden Charakter von Warnhinweisen auf ihrer Speisekarte fürchten, dürften die meisten auf Nachfrage eine spezielle Karte mit Details über Inhaltsstoffe anbieten. Die gesetzliche Vorgabe lässt dies ausdrücklich zu.
Welche Lebensmittelunverträglichkeiten gibt es?
Zu den Lebensmittelunverträglichkeiten, die zu Bauchschmerzen und Übelkeiten, Durchfall oder Verstopfung führen können, zählen eine Reihe von so genannten „Intoleranzen“. Weit verbreitet ist die Laktose-Intoleranz, die Milchzucker-Unverträglichkeit. Etwa 15 Prozent der Deutschen vertragen nur kleine Mengen Milchzucker, auch als Laktose bezeichnet, weil ihnen ein Enzym fehlt (die „Laktase“), das den Milchzucker verarbeiten kann. Problematisch wird es vor allem dann, wenn man im Restaurant Milch- oder Schokoladenprodukte zu sich nehmen will, selbst beim Milchkaffee ist Vorsicht angezeigt. Der Ober darf nur laktosefreien Kaffee servieren.
Was ist mit der so genannten Glutenunverträglichkeit?
„Gluten“ ist ein Eiweiß im Getreide. Wer an einer Glutenunverträglichkeit („Zöliakie“) erkrankt ist, hat Probleme mit der Darmschleimhaut. Bei den Betroffenen führt die Unverträglichkeit dazu, dass das Eiweiß zu einer Dauer-Entzündung des Darms führt. Glutene sind weit verbreitet – sie lauern beispielsweise im Müsli und im Körnerbrötchen, im Weizenbrot oder Kuchenteig. Aber auch in vielen Halb- und Fertigprodukten. Das ist besonders tückisch, denn welcher Kellner weiß schon, woraus genau sich die Fertigsoße oder das Würstchen zusammensetzt. Denn auch in der Bockwurst sitzt das Eiweiß. Wie auch in Pommes, Kroketten, oder Kartoffelpuffern.
Für diese 14 Lebensmittel gilt die Allergie-Kennzeichnungspflicht:
- glutenhaltige Getreide
- Eier
- Fische
- Erdnüsse
- Sojabohnen
- Milch
- Schalenfrüchte
- Sellerie
- Senf
- Sesam
- Schwefeldioxid
- Sulfite
- Lupinen
- Muscheln
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Was sagen die Gastronomen zu der neuen Regelung?
Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga will seine Mitglieder mit Merkblättern über die Neuregelung informieren. „Wir haben Verständnis für die Allergiker“, sagt Verbandssprecher Thorsten Hellwig. Gastronomie und Verbraucherberatung gehen aber davon aus, dass auch die Ordnungsämter die Verordnung erst genau studieren müssen.
Wie sind die Reaktionen aus der Politik?
Die rot-grüne Landesregierung begrüßte grundsätzlich die Neuregelung der EU: „Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist wichtig zu wissen, was in Lebensmitteln drin ist“, betonte Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) gegenüber dieser Zeitung. „Gerade die steigende Zahl der Menschen, die an Allergien leiden, macht deutlich, dass wir hier insbesondere bei den Allergie auslösenden Zusatzstoffen eine große Transparenz haben müssen.“ Ausdrücklich lobte er die Regelung für den Gastronomiebereich, Informationen über mögliche Allergie auslösende Zusatzstoffe zu geben.
Der NRW-Europaabgeordnete Peter Liese (CDU) denkt schon an den nächsten Schritt. Er verweist darauf, dass ab April 2015 über die ab Samstag geltende Regelung hinaus eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung für Frischfleisch gelte: „Der Verbraucher weiß dann genau, woher sein Schnitzel kommt.“ Schon mit der jetzigen Verordnung werde dem „Etikettenschwindel der Garaus“ gemacht, wenn Produkte billige Ersatzstoffe wie Klebefleisch oder Analogkäse enthielten, aber aussähen wie das Original.