Essen. . Trotz ausstehender Milliardenforderungen hält Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt für die Erweiterung der Lkw-Maut an Toll Collect fest.
Die Geschichte der umstrittenen Maut-Pläne von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist um zwei weitere pikante Noten reicher. Für die Erweiterung der Lkw-Maut auf Bundesstraßen setzt Dobrindt mit Toll Collect ausgerechnet das Unternehmen ein, von dem der Bund im zehnten Jahr inzwischen sieben Milliarden Euro verlangt. Und durch die geplante Begrenzung der neuen Straßenmaut auf Pkw und Transporter bis zu einem Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen zahlen die Hälfte aller richtigen Lastkraftwagen weder diese noch die Lkw-Maut. Die Opposition ist empört.
Die Linken hatten einen Antrag im Bundestag eingebracht, der Bund solle von seiner vertraglich fixierten Möglichkeit Gebrauch machen und den Mauteintreiber Toll Collect übernehmen. „Skandalös“ findet Linke-Verkehrsexperte Herbert Behrens die Vergabe an Toll Collect. Die Übernahme-Forderung der Linken teilt auch die Verkehrsexpertin der Grünen, Valerie Wilms.
Für Wilms funktioniert Toll Collect nach den Anfangsschwierigkeiten seit acht Jahren gut und sei auch datenrechtlich unbedenklich. „Das System ist eine clevere Lösung.“, sagt sie, ganz im Gegensatz zu ihrer Einschätzung der Dobrindt’schen Mautpläne: „Da ist kein System erkennbar.“
Die Übernahme-Option für Toll Collect bleibt erhalten
Auch wenn man in der SPD das neuerlich Herumrudern des CSU-Ministers mit Freude zu beobachten scheint, wird Dobrindt seine Pläne durchsetzen können und Toll Collect bis 2018 für drei weitere Jahre einsetzen. An der Bezahlung soll sich nichts ändern: 500 Millionen Euro jährlich. Die Option, das Unternehmen doch noch zu übernehmen, kann bis 2018 erhalten bleiben.
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Toll Collect gehört je zu 45 Prozent der Telekom und Daimler, zu zehn Prozent Cofiroute aus Frankreich. Die für 2003 geplante Einführung der Lkw-Maut scheiterte an einer Pannenserie. Für die entgangenen Lkw-Maut bis zum Start 2005 verlangt der Bund Schadenersatz, fünf Milliarden plus Zinsen und Verfahrenskosten, insgesamt sieben Milliarden Euro. Nur rund ein Promille der Summe erhält der Bund zurzeit monatlich zurück. Seit 2005 berät ein Schiedsgericht über den Streit. Diese Schlichtung ist in dem Vertrag mit dem Bund fixiert. Der Vertrag ist geheim und wurde offiziell nie veröffentlicht, wurde aber 2009 fast vollständig bei Wikileaks ins Internet gestellt.
Toll Collect soll bis Juli 2015 die mit zurzeit 4,4 Milliarden Euro im Jahr ertragreiche Lkw-Maut auf weitere 1100 Kilometer Bundesstraße ausweiten und bis Oktober auch Lkw oberhalb von 7,5 Tonnen Gewicht erfassen. Wichtigste Aufgabe bis 2018: Das gesamte Bundesstraßen-Netz mit 39.000 Kilometer Länge soll für die Lkw-Maut vorbereitet werden.
Lkw zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen müssen zukünftig als einzige Wagen keine Maut bezahlen
Bislang liegt die Gewichtsgrenze für die Lkw-Maut bei 12 Tonnen, die entfernungsabhängige Straßennutzungsgebühr zahlen also nur schwere Laster. Davon gibt es in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt knapp 200.000. Durch die Ausweitung auf Lkw ab 7,5 Tonnen kommen allein knapp 80.000 in Deutschland zugelassene Lastfahrzeuge dazu. Über eine Viertelmillion Wagen fallen in die Kategorie von 3,5 bis 7,5 Tonnen Gesamtgewicht.
Dass gerade diese oftmals abseits der Autobahn in Ballungsräumen eingesetze Lkw-Klasse von jeder Straßennutzungsgebühr ausgenommen bleiben, erscheint als Witz. Würde der Bund Toll Collect übernehmen, sei rechtlich eine Erweiterung der Lkw-Maut auf 3,5 Tonner problemlos möglich, so Valerie Wilms, sonst nicht. Bleibt es bei den Plänen von Dobrindt für seine sogenannte Pkw-Maut, bliebe nur ein Lösung für die 3,5 bis 7,5 Tonner: eine eigene Maut für diese Fahrzeuge zu erfinden. Es wäre dann die dritte in Deutschland.