Essen. Die armen Städte an der Ruhr brechen bei den Gewerbe- und Grundsteuern alle Rekorde. Gleich nebenan, im reichen Düsseldorf, geht es viel billiger.

Städte und Gemeinden an Rhein und Ruhr bitten ihre Bürger über Steuern so stark zur Kasse wie kaum eine andere Region in Deutschland. Mit Ausnahme der Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen erheben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt die höchsten Gewerbe- und die zweithöchsten Grundsteuern aller Bundesländer. Das geht aus aktuellen Unterlagen der Statistischen Landesämter hervor, die diese Zeitung ausgewertet hat.

Auch der Anstieg der Steuersätze in den letzten Jahren ist in NRW besonders drastisch. Deutlich günstiger sind die Sätze dagegen in Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und einigen ostdeutschen Ländern. Grund- und Gewerbesteuern zählen zu den wichtigsten Steuerquellen einer Kommune. Ihre Höhe kann von jeder Gemeinde selbst festgelegt werden.

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NRW-Gemeinde haben Steuerschraube angezogen

Der höchste durchschnittliche Hebesatz unter den Flächenländern für die Berechnung der Grundsteuer B für bebaute Grundstücke hat zwar Sachsen (479 Prozent). NRW folgt aber dicht auf mit 457 Prozent. Bei den Hebesätzen für die Gewerbesteuer erreicht NRW mit durchschnittlich 442 Prozent den Spitzenplatz unter den Flächenländern. Der bundesweite Durchschnitt liegt hier bei 392 Prozent.

Die Zahlen stammen aus der Publikation „Steuern regional“ der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Sie beziehen sich auf die jüngsten zur Verfügung stehenden Daten der Finanzbehörden aus dem Jahr 2011. Viele NRW-Gemeinden haben seitdem die Steuerschraube noch einmal heftig angezogen – besonders im finanziell gebeutelten Ruhrgebiet.

So viel Grundsteuer verlangen Revier-Städte

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In Duisburg steigt der Hebesatz ab 2015 um 160 auf 855 Punkte. Das sind satte 23 Prozent mehr. Damit hat Duisburg den höchsten Grundsteuersatz in Nordrhein-Westfalen und einen der höchsten in ganz Deutschland. Nachbar Düsseldorf nimmt mit 440 Punkten gerade mal halb so viel.

Zum bundesweiten Spitzenreiter könnte allerdings schon bald Witten aufsteigen. 910 Punkte musste die Verwaltung auf Geheiß der Bezirksregierung Arnsberg vorsorglich in den neuen Haushaltsplan hineinschreiben, falls die 97 000-Einwohner-Stadt ihr Sparziel 2016 verfehlen sollte.

Auch Essen erhöht die Grundsteuer

Damit wären in der seit Jahren unter Bevölkerungsverlust leidenden Ruhrstadt ab dem übernächsten Jahr fürs Wohnen mehr Steuern fällig als im traditionell teuren Berlin. In der Bundeshauptstadt liegt der Hebesatz bei 810 Punkten.

Auch die Essener müssen ab dem kommenden Jahr tiefer in die Tasche greifen. Den Hebesatz lässt die Reviermetropole um 13 Prozent von 590 auf 670 Punkte hochschnellen. Zusatzkosten für ein durchschnittliches Einfamilienhaus: 65 bis 80 Euro pro Jahr.

Andere Städte legen nach

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Für ein Mietshaus mit sechs Parteien sind 265 Euro zusätzlich fällig. Dortmund kann der Kontrolle durch die Kommunalaufsicht ebenfalls nur noch durch höhere Grundsteuern entkommen. Geplant ist eine Erhöhung um 18,5 Prozent auf 640 Punkte.

An der Steuerschraube drehen auch Gelsenkirchen (2015: 695 Punkte) und Bochum (645 Punkte). In Mülheim wird dieser Tage eine Erhöhung der Abgabe auf 640 Punkte diskutiert, Hagen hatte bereits 2013 auf 750 Punkte angehoben.

Höhere Steuern, weniger Leistung

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young hat in einer Studie ermittelt, dass 68 Prozent aller Kommunen in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr Steuern und Gebühren angehoben haben oder es für 2015 planen.

Besonders betroffen: die Grundsteuer B. Gleichzeitig wollen 45 Prozent aller NRW- Gemeinden laut der selben Studie ihre Leistungen reduzieren oder haben es im laufenden Jahr bereits getan. Im Bundesdurchschnitt sind es nur 34 Prozent aller Kommunen.

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Städtische Haushalte müssen ausgeglichen werden

Dass die Steuersätze im Ruhrgebiet derzeit alle Rekorde brechen, kommt nicht von Ungefähr. Nur mit Hilfe der so genannten Realsteuern lassen sich die unter Druck stehenden städtischen Haushalte im Lot halten.

Vor allem der Grundsteuer in der Variante B – sie gilt anders als die Grundsteuer A für bebaute Grundstücke – kommt dabei in den dicht besiedelten Regionen eine entscheidende Bedeutung zu. Denn im Gegensatz zur Gewerbesteuer, über die in erster Linie die Wirtschaft vor Ort murrt, trifft die Grundsteuer nicht nur Eigenheimbesitzer, sondern alle Bürger.

Grundsteuer trifft alle Bürger 

Hauseigentümer können die Erhöhung auf ihre Mieter umlegen. Zahlen müsse also alle. Für die Städte ist die Grundsteuer daher die einzige relevante berechenbare Steuerquelle. Gewerbesteuer und der Gemeindeanteil an den Einkommens- und Umsatzsteuern sind konjunkturabhängig.

Eine Erhöhung kann dann schon mal den Haushalt retten. Dortmund etwa verspricht sich durch die Anhebung Mehreinnahmen von 19 Millionen Euro und einen genehmigten Etat. In Duisburg soll die Erhöhung 16 Millionen Euro in die leeren Stadtkassen spülen. Ein Teil davon müssen die Städte allerdings selbst aufbringen: als Wohnkostenzuschuss für Hartz-IV-Empfänger.

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Im Süden haben einige Städte die Steuer gesenkt

Die Grundsteuer B wird für jedes bebaute Grundstück fällig und schlägt als Ausgabe durchaus spürbar zu Buche. Ein Einfamilienhaus in Essen wird nach dem neuen Satz mit insgesamt 545 Euro im Jahr belastet. Bei Mehrfamilienhäusern und Bürogebäuden kommen schnell vierstelligen Beträge zusammen.

Wie ungleichmäßig sich die Gemeindesteuern im Land entwickelt haben, zeigt besonders der langfristige Vergleich. Städte im Süden und Norden der Republik erhöhten die Abgaben in den letzten zehn Jahren eher mäßig. Manche konnten es sich sogar erlauben, die Steuern zu senken.

Duisburg kassiert das Doppelte

In Karlsruhe stieg der Grundsteuersatz seit 2004 moderat von 370 auf 420 Punkte. Braunschweig belässt es seit Jahren bei 450 Punkten, die Autostadt Wolfsburg verlangt ihre Bürgern bis heute nur 420 Punkte ab.

Selbst im teuren München sind es nicht mehr als 535 Prozentpunkte.