Berlin. . Große Unternehmen müssen zukünftig ihre Aufsichtsräte zu 30 Prozent mit Frauen besetzen. Kanzlerin Angela Merkel verteidigte im Bundestag die Regelung, die Linke Sahra Wagenknecht nutzt die Aussprache zum Generalangriff auf die Regierungschefin. Doch die zeigt sich wenig beeindruckt.
Es war die Stunde der Frauen. Sahra Wagenknecht redet die Politik der Großen Koalition in Grund und Boden, Angela Merkel gibt die weltpolitische Krisenmanagerin und Frauenministerin Manuela Schwesig triumphiert: In der Nacht zu Mittwoch, wenige Stunden vor der Generaldebatte des Bundestags über den Haushalt für 2015, hat die Große Koalition den Streit über die Frauenquote beigelegt. Die Quote kommt – ohne von der Union geforderte Ausnahmen.
Es war eine lange Nacht. Über Stunden ringt die Koalitionsspitze um die Quote. Am Ende setzt sich die SPD durch. Ab 2016 soll für die rund 100 größten Unternehmen eine feste Frauenquote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten gelten. Ausnahmen gibt es nicht.
Kauder bringt nicht nur die SPD auf die Palme
„Ich weiß“, sagt Angela Merkel am anderen Morgen im Bundestag, „dass diese Regelungen allen, auch den Arbeitgebern, Flexibilität abfordern.“ Alle – damit meint sie an diesem Mittwoch auch die Quotengegner in den eigenen Reihen.
Am Tag zuvor hatte Volker Kauder den Quotenstreit auf die Spitze getrieben: Schwesig solle nicht so weinerlich sein, befand der Unions-Fraktionschef und brachte damit nicht nur die SPD auf die Palme, sondern lieferte auch ein schönes Beispiel dafür, was sich Frauen in Spitzenpositionen eben manchmal so anhören müssen.
Grüne zücken demonstrativ Taschentücher
Als Kauder an diesem Morgen ans Rednerpult tritt, zücken die Grünen demonstrativ ihre Taschentücher: „Heul doch!“ Es ist eine Solidaritätsaktion für Schwesig – auch wenn die SPD-Frau das gar nicht mehr braucht: Kauders Attacke hat der Quote Rückenwind gegeben.
„Wir können es uns nicht leisten, auf die Kompetenz der Frauen zu verzichten“, schickt Merkel noch hinterher. Es klingt ein wenig lahm. Aber von der Kanzlerin erwartet auch niemand leidenschaftliche Bekenntnisse zur Frauenpolitik. Und schließlich: Was ist schon ein Quotengesetz für ein paar Dutzend Unternehmen gegen die „sicherheitspolitischen und humanitären Krisen“, gegen den Ukraine-Konflikt, den islamistischen Terror, gegen Ebola oder die Flüchtlingsströme? Merkels Regierungserklärung kreist um die globalen Fragen – die Innenpolitik klingt bei ihr wie lästiges Pflichtprogramm.
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Dass Sahra Wagenknecht, die an diesem Morgen Gregor Gysi als Oppositionsführerin vertritt, die Sozialpolitik der Großen Koalition als Totalausfall geißelt und Merkel vorwirft, sie verspiele im Konflikt mit Russland das Erbe der Entspannungspolitik – es zieht der Kanzlerin höchstens die Mundwinkel noch tiefer nach unten.
Thomas Oppermann verhaspelt sich
Für Thomas Oppermann dagegen ist kein Wort zu groß, um die Frauenquote zu feiern: Ein „gewaltiger Sprung nach vorne“, ein „großer gesellschaftlicher Fortschritt“ mit „historischer Dimension“ sei da vereinbart worden, findet der SPD-Fraktionschef. Die Quote sei ein Signal an die qualifizierten Frauen: „Sie sind keine Belastung, sondern eine Bereicherung.“
Minuten später verheddert er sich allerdings prompt bei den Spitzenfrauen, die vor ihm sitzen – Grünen-Politikerin Britta Haßelmann und CSU-Frau Gerda Hasselfeldt. „Liebe Kollegin Haßelfeldt... nein, Hasselmann...“ Er hebt entschuldigend die Hände: „Die Nacht war kurz.“
Opposition spottet über das "Quötchen"
Gegen Mittag bestätigt sich dann, dass die SPD in dieser Nacht doch in einem wichtigen Punkt auf die Quotenkritiker aus Union, Wirtschaft und Gewerkschaften zugegangen ist: Um die Quote in den Aufsichtsräten zu erreichen, müssen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite nicht wie ursprünglich geplant jeweils auf ihrer Seite die Quotenvorgabe erreichen, sondern dürfen sich absprechen – die Quote kann auch allein von der Arbeitnehmerseite gestellt werden.
Eine weitere Schraube hatte Schwesig im Vorfeld gelockert: Die Unternehmen, die sich selbst Quotenziele setzen sollen, dürfen sich zwar nicht verschlechtern, können aber als Ziel einfach den Status Quo angeben. Wer nur eine Frau im Aufsichtsrat hat, muss das also nicht ändern. Die Opposition redet deswegen längst nur noch vom „Quötchen“, Schwesigs Laune aber trübt das nicht: Die Quote werde „unser Land moderner machen“, glaubt sie. Und die Sache mit Kauder? Die lächelt sie weg.