Berlin. . CSU-Chef Seehofer warnt Außenminister Steinmeier (SPD) vor Alleingängen. Der Bayer will die deutsche Russland-Politik beim Koalitionsgipfel klären. In der Union geht die Sorge um, dass der Außenminister in der Ukraine-Krise einen eigenen Kurs fahren und sich damit profilieren könnte.
In der Ukraine-Krise fürchtet die Kanzlerin nichts mehr als den Eindruck mangelnder Geschlossenheit gegenüber Wladimir Putin. „Die größte Gefahr ist, dass wir uns auseinanderdividieren lassen“, warnte Angela Merkel kürzlich. Jetzt scheint es, als käme der russische Präsident mit seinen Spaltversuchen doch voran – nicht im westlichen Bündnis, sondern direkt in Merkels Großer Koalition.
CSU-Chef Horst Seehofer hat den Konflikt am Wochenende offiziell eröffnet. Er äußerte den Verdacht, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und die SPD stünden nicht mehr hinter Merkels Linie gegenüber Russland. Am Dienstag will Seehofer das Thema im Koalitionsausschuss ansprechen: „Unterstützt die SPD die Bemühungen unserer Kanzlerin oder nicht“, sagte Seehofer dem „Spiegel“. Er kenne Steinmeier als besonnenen Diplomaten. Doch wenn der „eine eigene Diplomatie neben der Kanzlerin betriebe, wäre das brandgefährlich.“
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Steinmeier von Putin empfangen
So offen hat noch kein Koalitionspolitiker außenpolitische Differenzen thematisiert. Auch wenn die SPD von „überflüssigen Sticheleien“ sprach – dass es einen feinen Riss geben könnte in der Ukraine-Politik zwischen Merkel und Steinmeier, darüber wird seit Tagen trotz aller Dementis der Beteiligten spekuliert. Ausgangspunkt ist Merkels Rede vergangene Woche in Sydney, in der sie ungewöhnlich scharf die aggressive Außenpolitik Russlands anprangerte und Putin vorwarf, internationales Recht mit Füßen zu treten. Es gehe ja nicht nur um die Ukraine, sondern auch um Moldawien, Georgien oder die Balkanstaaten.
Merkel mit Geduld am Ende
Die Kanzlerin ist nach vielen Gesprächen mit Putin am Ende ihrer Geduld. Ihr Außenminister nicht. Das ließ Steinmeier auch alle wissen. Der Minister rief nach Merkels Rede in Brüssel zu verbaler Mäßigung auf – was als Abgrenzung zur Kanzlerin verstanden wurde, auch wenn Steinmeier sagt, diese Interpretation sei „an den Haaren herbeigezogen“. Der Außenminister will alles vermeiden, was die Fronten zwischen Putin und dem Westen weiter verhärten könnte. Deshalb schloss er jetzt erneut aus, dass die Ukraine Nato-Mitglied werden könnte. Der Minister setzt zur Konfliktentschärfung weiter auf die Minsker Waffenstillstands-Vereinbarung zwischen Kiew und Moskau, was CDU-Außenpolitiker wie Norbert Röttgen für illusionär halten. Gesprächsmöglichkeiten zur Entspannung dürften nicht verbaut werden, so Steinmeier. Prompt wurde er bei einem ohnehin geplanten Moskau-Besuch von Putin zum Gespräch empfangen.
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SPD-Chef Sigmar Gabriel assistiert und mahnt, in der Ukraine-Krise müsse die Entspannungspolitik Willy Brandts Vorbild sein. Doch die Kanzlerin fürchtet, dass Putin in der Ostukraine jetzt erneut vollendete Tatsachen schaffen könnte – dem müsse der Westen klarer als bisher entgegentreten. Steinmeier dürfe sich nicht für Putins Versuch einspannen lassen, einen Keil in den Westen zu trieben, warnt der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff.
So ist es, diplomatischer formuliert, auch in der Union im Bundestag zu hören. Dabei arbeiten Merkel und Steinmeier eigentlich eng zusammen. Sie telefonieren viel, tauschen SMS aus. Gleichwohl spielt der Außenminister eine selbstbewusste Rolle, er setzt eigene Akzente. „Wir müssen auch jenseits von der Ukraine denken“, sagt Steinmeier, „wir haben mit ein paar anderen Bedrohungen weltweit fertig zu werden“. Ohne Russland mit seinem Vetorecht im UN-Sicherheitsrat ist kaum ein internationaler Konflikt zu lösen: Moskau wird für die Lösung der Syrien-Irak-Krise gebraucht und bei den Atomverhandlungen mit dem Iran, wo eine Einigung auch mit Hilfe deutscher Vermittlung kurz bevor stehen könnte.
SPD als Friedenspartei?
Doch Seehofer hat ganz andere Sorgen, deshalb fährt er Steinmeier in die Parade. Seehofer fürchtet, dass sich die SPD als Friedenspartei profiliert, die Union aber den Scharfmacher gibt. Der CSU-Chef spürt den Druck aus seiner Partei. Auch dort gebe es eine russlandfreundliche Strömung, die frage, warum der SPD eine russlandfreundliche Haltung gestattet werde, den eigenen Leuten aber nicht. Die Bundesregierung müsse zusammenstehen, mahnt Seehofer. Immerhin, auf ein Signal der Geschlossenheit haben sich Merkel und Steinmeier soeben verständigt: Das deutsch-russische Gesprächsforum „Petersburger Dialog“ wird umgebaut – auf Merkels Drängen sind dort Moskau-Kritiker künftig viel stärker vertreten.