Sie können gewaltige Distanzen zurücklegen und fliegen 80 bis 100 Kilometer pro Stunde: Brieftauben haben die Menschen von jeher fasziniert. Hobbyzüchter schicken die Tiere auf Flüge von vielen hundert Kilometern. Tierschützer sehen das kritisch.
Lars Maibaum hält Brieftauben seit er zehn Jahre alt ist. Anders als viele seiner Kollegen hat er dieses Hobby nicht von seinem Vater geerbt, sondern ist durch einen Nachbarn auf den Geschmack gekommen: "Der hatte Brieftauben, und das hat mich so begeistert, dass ich selbst damit anfangen wollte." Heute gehört Maibaum mit 40 Jahren immer noch zu den jüngeren Mitgliedern des Verbands Deutscher Brieftaubenzüchter. Die meisten sind bereits im Rentenalter. So wie Maibaums Vater, der ihn bei der Pflege seiner 80 Brieftauben unterstützt. Neben dem Vollzeitjob wäre das sonst kaum zu schaffen, sagt Maibaum
Die gemeinsame Geschichte von Mensch und Taube ist lang - und auch die Brieftaubenzucht hat eine jahrhundertelange Tradition. Noch heute widmen sich 40.000 Menschen allein in Deutschland diesem Hobby.
Greifvögel sind für Taubenzüchter ein Problem
Drei bis vier Stunden verbringen Vater und Sohn täglich mit den Tauben. Der Schlag muss gesäubert, die Tiere müssen gefüttert werden. Zweimal täglich für jeweils ein bis zwei Stunden dürfen die Tauben frei fliegen. "Da ist es wichtig, dass man dabei ist, damit sie nicht von Greifvögeln angegriffen werden", sagt Maibaum.
Greifvögel sind für viele Taubenzüchter ein Problem. Manche schränken daher den Freiflug zeitweise stark ein. Tierschützer wie Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund kritisieren das: "Um Verluste zu vermeiden, lassen die Züchter viele Tiere teilweise über mehrere Wochen und Monate in ihren Verschlägen." Das sei nicht artgerecht.
Bodo Busch von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) sieht das nicht ganz so problematisch: "Wenn die Habichte ihre Jungtiere haben, müssen die Tauben unter Umständen drinnen bleiben." Das ließe sich eben nicht ändern. Eine Voliere, die den Vögeln Bewegungsraum bietet, sei dann aber umso wichtiger.
Wettflügen von April bis September
Auch der Heimatschlag sollte geräumig sein. Der Verband Deutscher Brieftaubenzüchter macht hier keine verbindlichen Vorgaben. Die TVT empfiehlt eine Besatzdichte von zwei Tauben pro Kubikmeter. Bei Jungtauben sollten es nur halb so viele Tiere sein. Für einen Taubenschlag mit mehreren Abteilen eignen sich Dachböden, aber auch ebenerdige, separate Stallgebäude.
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Lars Maibaum hält pro Abteil 20 Taubenpaare. "Tauben sind Schwarmtiere, daher sollten die Gruppen nicht zu klein sein." Jungtauben vor der Geschlechtsreife leben in einem eigenen Abteil. Viele Züchter haben auch getrennte Abteile für Tauben, die vor allem zur Zucht gehalten und solche, die für die sogenannten Distanzflüge eingesetzt werden.
Zu diesen Wettflügen starten die Tauben von April bis September. Ein Speziallastwagen bringt die Tiere zum Abflugort, von wo aus sie in den heimatlichen Schlag zurückfliegen. Bis zu 600 oder 700 Kilometer legen die Tauben während eines solchen Distanzflugs zurück. Tierschützer sehen das kritisch. "Die Wettflüge basieren auf induziertem Stress der Tiere", sagt Tünte. Tauben sind ortstreue Tiere, die es zurück in ihren Schlag und zum Partner zieht. Dieses Verhalten werde im Brieftaubensport ausgenutzt, beispielsweise durch die sogenannte Witwermethode. Dabei werden Taubenpaare vor dem Flug getrennt und auf diese Weise zur möglichst schnellen Heimkehr motiviert.
Maibaum bezeichnet das Verfahren lieber als Schonmethode: "Die Tauben sollen sich auf nur eine Sache konzentrieren, also in diesem Fall auf die Reise und nicht auf die Zucht", erklärt er. Während der Flugsaison soll das Taubenpaar keine Jungen aufziehen und wird daher zeitweise getrennt.
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Zucht ist für die meisten nicht Beruf, sondern Hobby
Damit die Tiere die großen Distanzen bewältigen, beginnen Brieftaubenzüchter die Saison mit Trainingsflügen und steigern die Entfernungen nach und nach. "Zu Anfang sind das 60 oder 80 Kilometer", sagt Maibaum. Er mag "das Kribbeln", das sich während der Wettflüge einstellt. "Für den Züchter ist es das Erlebnis schlechthin, wenn er seine Tauben von einem Distanzflug zurückkommen sieht", beschreibt auch Lutz Ruth, Geschäftsführer beim Verband Deutscher Brieftaubenzüchter, die Faszination dieses Hobbys.
Nicht nur die Wettflüge, auch die Zucht ist für die meisten Taubenbesitzer nicht Beruf, sondern Hobby. "Hauptberufliche Züchter gibt es in Deutschland nicht mehr als eine Handvoll", erzählt Maibaum. Er verkaufe seine Nachzucht "eher zu Futterkosten." Der Gewinn liegt woanders: im täglichen Umgang mit seinen Tieren. (dpa)