Köln. . Nora Guthrie, die Tochter der Folk-Legende Woody Guthrie, verwaltet den Nachlass ihres berühmten Vaters. Nun hat sie ein Buch veröffentlicht, das der Musiker in den 40er Jahren geschrieben hat: “House of Earth“ erschien erstmals im Verlag des Schauspielers Johnny Depp, der sich begeistert zeigte. Nun ist es auch auf dem deutschen Markt zu haben.

Ganz am Ende des Tisches sitzt sie und wenn sie redet, dann reden die Hände gerne mit. Aus den USA ist Nora Guthrie extra herübergekommen nach Deutschland, um über ihren Vater zu sprechen. Wie sie das seit Jahren schon macht. Denn der Papa heißt Woody Guthrie und wird „Folk-Legende“ oder „das schlechte Gewissen Amerikas“ genannt.

Ja, es gibt sogar Menschen, die seinen Song „This Land Is Your Land“ für die heimliche Nationalhymne der USA halten. Seit fast 50 Jahren ist der Sänger mittlerweile tot. Nächste Woche aber erscheint trotzdem ein neues Buch. Nicht über ihn, sondern von ihm. Auch deshalb ist Nora nach Köln gekommen.

Hätte sie sich früher auch nicht träumen lassen. „Ich war“, sagt Nora Guthrie, „lange Zeit die schlechteste Wahl, das Vermächtnis meines Vaters zu wahren.“ Schon zu Lebzeiten von Papa Woody kann sie nichts mit den Folk-Musikern anfangen, die bei den Guthries ein- und ausgehen. Bob Dylan, Phil Ochs, „das waren für mich die langweiligsten Leute, die ich bis dahin getroffen hatte. Wenn sie sich setzten und ihre akustischen Gitarren zu stimmen begannen, bin ich zum Tanzen in die Stadt gegangen. Mit Folk konntest du mich jagen.“

Buch taucht durch Recherche zu Bob Dylan auf

Deshalb macht die heute 63-Jährige nach dem frühen Tod ihres Vaters auch nicht als Sängerin, sondern als Tänzerin Karriere. Bis sie – gerade 40 geworden – zu dem Schluss kommt, dass Geld nicht alles ist und kürzer tritt. Deshalb hat sie Zeit, als Harold Leventhal, ehrenamtlicher Nachlassverwalter ihres Vaters, ihr irgendwann eine Kiste auf den Tisch stellt. „Hier guck mal“, sagt Leventhal.

Nora guckt, zieht bald ein Gedicht aus einem Umschlag und beginnt zu lesen. Es ist der Moment, glaubt sie heute, „in dem es mich gepackt hat.“ Der Augenblick, in dem sie beginnt, ihren Vater und sein Leben zu verstehen. „Da flossen die Tränen.“ Aus einer Kiste werden zwei, aus zweien Hunderte. Mit Notizen, Texten, Fotos. Und mit Liedern. Rund 1000 unveröffentlichte Songs, schätzt Nora, habe sie dort bisher gefunden.

Anderes bleibt zunächst verborgen. Vor gut zwei Jahren erreicht sie der Anruf des Historikers Douglas Brinkley. Er habe, teilte er Nora mit, bei einer Recherche über Bob Dylan Hinweise auf ein verschollenes Woody-Guthrie-Buch namens „House Of Earth“ (Haus aus Erde) entdeckt. Ob sie schon mal davon gehört habe. Hat sie nicht, beginnt aber zu suchen und findet in einer der Kisten ein Manuskript. Ihr Vater hatte es in den 1940er Jahren geschrieben, an einen Drehbuchautoren geschickt und dann anscheinend vergessen. „Er war in solchen Dingen nicht so gut organisiert“, sagt seine Tochter.

Ein Text, „der weh tut bis zu seiner letzten Seite“

Sie liest das Manuskript, liest über Tike and Ella Hamlin, ein Farmerehepaar, das in der west-texanischen Ebene sein Land bestellt und dabei gegen die Widrigkeiten des Lebens kämpft. Alles ist fiktional, „aber mein Vater könnte über sich selbst geschrieben haben.“ Rau, hart, sehr freizügig. Nora ist erst „geschockt“, dann „gepackt von der Geschichte“. Der Schauspieler Johnny Depp ist es auch. Er veröffentlicht „House of Earth“ als erstes Buch in seinem eigenen Verlag. Am 20. September erscheint es nun auch auf Deutsch. Kein leichter Stoff, warnt Guthrie, und spricht von einem Text „der weh tut bis zur letzten Seite“.

Ältere Guthrie-Fans werden das mögen. Der Verlag hofft allerdings, dass auch manch Jüngerer noch etwas mit dem Folkpoeten anfangen kann. Tochter Nora will das nach ihren Erfahrungen bei den Gedenkkonzerten zum 100. Geburtstag ihres Vaters im vergangenen Jahr nicht ausschließen. „Da waren“, erinnert sie sich, „alle Generationen vertreten.“