Washington. Sie ließ ihr Kind verhungern, bis es nur noch 16 Kilogramm wog. Das US-Bundesgericht verurteilte Lisa Coleman daraufhin zur Todesstrafe. Am Mittwochabend wurde die 38-Jährige mit einer Giftspritze hingerichtet. Eines war diesmal anders als bei anderen Hinrichtungen: Es gab keinen Proteststurm.

Nachrichten aus der Welthauptstadt staatlich verordneter Exekutionen lösen in Amerika nur noch selten Reaktionen aus. In Huntsville im US-Bundesstaat Texas sind seit Wiedereinführung der Todesstrafe 1982 bis heute exakt 517 Menschen hingerichtet worden. Nirgendwo sonst in den Vereinigten Staaten wird so exzessiv von der „death penalty“ Gebrauch gemacht. „Don’t mess with Texas“ heißt es nicht ohne Grund auf großen Anzeigetafeln an vielen Highways, „Leg dich nicht mit Texas an.“

Am Mittwochabend traf es Lisa Coleman. Die 38-jährige Afro-Amerikanerin saß seit zehn Jahren wegen eines außergewöhnlich grausamen Verbrechens an einem kleinen Jungen (9) im Todesstrakt. Ihre letzten Atemzüge nach Verabreichen der Giftspritze markieren eine Besonderheit. Coleman ist in knapp 40 Jahren erst die 15. Frau in Amerika, die von Staats wegen sterben musste. Im gleichen Zeitraum wurden 1400 Männer getötet.

Diesmal kein öffentlicher Proteststurm

Bereits 1972 fasste Thurgood Marschall, der erste afroamerikanische Richter am Obersten Gerichtshof, die Diskrepanz in Zahlen: „Seit 1930 wurden 32 Frauen, aber 3827 Männer hingerichtet.“ Auch im Fall Coleman war der Supreme Court in Washington die letzte Instanz – und lehnte wenige Stunden vor dem Vollzug das letzte Gnadengesuch der Anwälte Colemans ab. Anders als sonst blieb der öffentliche Proteststurm aus. „Könnte ganz klar an der Schwere der Tat liegen“, mutmaßen Medien im Süden der USA.

„Es gab kaum eine Stelle am Körper des Jungen, die nicht aufgerissen, blau geprügelt oder mit Narben überzogen war“, stellte Staatsanwältin Dixie Bersano im Gerichtsprozess gegen Coleman fest. Die korpulente Frau lebte damals in Arlington mit ihrer damaligen Partnerin Marcella Williams und deren Sohn Davontae zusammen.

Eine Leiche mit 250 Wunden

Im Juli 2004 ging ein Notruf bei der Polizei ein. Als die Sanitäter eintrafen, fanden sie ein grotesk unterernährtes, verwahrlostes Kind, eingewickelt in Windeln, tot. Die Obduktion der mit rund 250 Wunden übersäten Leiche schockierte später die Gerichtsmediziner.

„So was war für mich absolut unvorstellbar“, sagte damals ein Forensiker einer Zeitung in Dallas, „der Junge wog nur noch 16 Kilogramm, die Hälfte des Normalgewichts in diesem Alter.“ Die Ermittlungen der Polizei ergaben schließlich, dass Coleman den Sohn ihrer Freundin über Monate gequält und gefoltert hatte und am Ende verhungern ließ. Ergebnis: Todesstrafe. John Stickels, der Anwalt Colemans, hatte bis zuletzt mit „befremdlichen Argumenten“ (CNN) die Hinrichtung verhindern wollen. Der Tod des Jungen sei auf eine „fehlgeleitete Disziplinierungsmaßnahme“ von Coleman und der Kindsmutter zurückzuführen, sagte der Jurist. Davontae habe Anzeichen einer Geisteskrankheit gezeigt und sei kaum „handhabbar“ gewesen. Letztlich seien Williams und Coleman mit der Erziehung überfordert gewesen.

Kein Wort der Reue

Kurz bevor die Giftspritze mit dem Wirkstoff Pentobarbital zu wirken begann, verabschiedete sich Lisa Coleman in Richtung Zuschauerraum: „Ich liebe alle meine Schwestern im Todestrakt. Mir geht es gut. Sagt ihnen allen, ich bin stark geblieben. Gott ist gut. Ich liebe euch alle.“ Ein Wort der Reue für das grausame Ende des kleinen Davontae war nicht zu hören.

Lisa Coleman ist nach Suzanne Basso die zweite Frau, die in diesem Jahr in Texas hingerichtet wurde. Sieben weitere sitzen in der Todeszelle. Auch sie werden nicht mit Nachsicht rechnen können. Nicht in Texas.