Heidelberg. Stalker machen ihren Opfern das Leben zur Hölle. Der Psychoterror schlägt oft in Gewalt um — bis zum Mord. Jährlich melden sich fast 24.000 Stalking-Opfer bei der Polizei. Wie viele davon den Psychoterror nicht überleben, wird nicht erfasst.
Ständige Anrufe und SMS, Auflauern vor der Wohnung, Drohungen und Liebesschwüre, mal ein Strauß roter Rosen, mal ein Paket mit Fäkalien: Wer es mit einem Stalker zu tun hat, für den ist ein normales Leben oft kaum mehr möglich. "Beim Stalking geht es immer um das Thema Macht", sagt Psychologe Karl-Günther Theobald vom Opferhilfeverein Weißer Ring. Stalking sei keine psychische Krankheit - Stalker hätten in vielen Fällen ein antiquiertes Menschenbild. Mit Liebe habe das nicht mehr viel zu tun. Es gehe ums Besitzen-Wollen. Oft schlage der Psychoterror in Gewalt um.
In einem Prozess vor dem Heidelberger Landgericht soll genau dies geschehen sein: Ein heute 61-Jähriger hat zugeben, seine frühere Freundin und Tanzpartnerin mit 14 Messerstichen getötet zu haben. Am Donnerstag (17. Juli) soll es das Urteil geben. Die Leiche der 59-Jährigen wurde in ihrem Vorgarten gefunden. Laut Staatsanwaltschaft hatte er der Frau davor so lange nachgestellt, bis eine gerichtliche Kontaktsperre gegen ihn verhängt wurde.
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Aus Sicht von Christine Doering, Expertin für das Thema Stalking, geschieht dieser Schritt oft viel zu spät - oder gar nicht. "Die Justiz in Deutschland versagt für mich im Bereich Gewaltschutz und Stalking." Die Unterlagen blieben zu lange bei den Staatsanwaltschaften liegen. "Gerade beim Ex-Partner-Stalking hält sich die Justiz gern raus."
Dabei sind es den Experten zufolge sehr häufig frühere Partner, die nach einer Trennung zu Stalkern werden. Oft sei es dann schon während der Beziehung nicht harmonisch gelaufen, sagt Doering, die Seminare und Beratungen zu dem Thema anbietet. Auch vor der Trennung habe das Thema Kontrolle in der Regel bereits eine Rolle gespielt. Nur in wenigen Fällen seien Stalker Fremde. "Ex-Partner-Stalker sind die brutalsten und die gefährlichsten." Die Trennung bedeute dann den absoluten Kontrollverlust. Der Schlussstrich des Partners werde nicht akzeptiert. Experten zufolge sind 85 Prozent der Täter Männer.
Rosen und Fäkalien — fließender Übergang von Liebe zu Hass
Beim Stalking ist der Übergang von der überbordenden Liebes- zur Hassbezeugung laut Theobald vom Weißen Ring fließend: "Ein Tag ein Riesenstrauß Rosen und am nächsten eine Packung mit Fäkalien." Im Heidelberger Fall soll der Angeklagte mehrmals das Auto seiner ehemaligen Partnerin zerkratzt haben - Doering zufolge ein typisches Stalker-Verhalten. "Das sind immer Machtdemonstrationen."
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Es gebe gewisse Warnsignale. "Wenn jemand sagt: 'Für dich gehe ich auch ins Gefängnis', dann ist das alarmierend." Wenn sich jemand von einer gerichtlichen Anordnung nicht bremsen lasse, sei ebenfalls Vorsicht geboten. Nicht jeder Stalker, der etwas Schlimmes ankündige, setze das aber auch in die Tat um.
Das Bundeskriminalamt zählte im Jahr 2013 bundesweit 23 831 erfasste Stalking-Fälle. Im Vergleich zu 2012 ist das der Behörde zufolge ein Rückgang von 3,1 Prozent. Wie viele Fälle mit dem Tod des Stalking-Opfers enden, wird nicht erfasst.
Stalker will Opfer sozial isolieren — und mordet deshalb
"Es kommt immer mal wieder vor, dass es im Mord endet, aber das ist sicher ein Einzelfall", sagt Theobald. Ein Stalker wolle das Opfer für sich allein haben und versuche daher, es sozial zu isolieren. "Und das ist mit der Tötung vollendet. Da gibt es dann niemanden mehr." Nach dem Motto: Wenn ich dich nicht haben kann, dann soll dich keiner bekommen. Doering ergänzt: "Es gibt einen Spruch: Frauen töten, um zu trennen. Männer töten, um zu halten." (dpa)