Washington. Melissa McCarthy hat mit ihrem brachialen Humor nicht nur die übergewichtigen Amerikaner auf ihre Seite gebracht. Wo die 43-jährige Mutter hinlacht, voluminös und vulgär, da wächst kein Gras mehr. Optisch wie moralisch immer etwas verwahrlost, immer einen Tick schnoddriger und brachialer als nötig – aber gut. Und komisch.

Rex Reed nannte sie mal reichlich unfein einen „weiblichen Traktor“. Der überkandidelte Film-Kritiker des „New York Observer“ bekam dafür Breitseiten nicht nur aus dem feministischen Lager ab. Dabei ist das Bild, positiv gewendet, so falsch nicht.

Melissa McCarthy zieht seit ein paar Jahren unbeirrbar eine Furche durch Hollywoods Komödienlandschaft, in der alles unterpflügt wird, was nach politischer Korrektheit riecht. Wo die 43-jährige Mutter hinlacht, voluminös und vulgär, da wächst kein Gras mehr. Optisch wie moralisch immer etwas verwahrlost, immer einen Tick schnoddriger und brachialer als nötig - aber gut. Und komisch.

McCarthy hat ein neues Genre etabliert: das der zotigen Action-Comedy, die neben Wort-Witz vor allem Witz-Figur verlangt. Also vollen Körpereinsatz. Anders als Buster Keaton oder Jim Carrey, die ihre Physis ebenfalls als Humor-Transporter benutzten, kommt die im ländlichen Illinois geborene McCarthy aus der XXL-Ecke. Weil Masse und Klasse bei ihr eine selten gelungene Einheit eingehen, ist die Wirkung besonders nachhaltig. Manche sagen: erdrückend.

Die „Dicke vom Dienst“

Amerika, ein Land mit 65 Prozent übergewichtigen Erwachsenen, erkennt sich wieder in der Frau, die einem die Lachtränen ins Gesicht treibt, wenn sie Wörter wie P-I-L-A-T-E-S oder T-R-E-N-N-K-O-S-T auch nur laut buchstabiert. Ob als „Sookie“ in den „Gilmore Girls“. Oder als Molly in der Komödien-Serie „Mike & Molly“. Ob in „The Heat“ („Taffe Mädels“) an der Seite von Sandra Bullock. Oder in „Identity DThief“ („Voll abgezockt“) mit Jason Bateman: Wo McCarthy draufsteht, gehen selbst dünne Drehbücher schwer in Ordnung. Und an der Kinokasse wie geschnitten Brot. Mit zwei Filmen hat McCarthy allein in den USA für Einnahmen von 400 Millionen Dollar gesorgt.

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Ihr neues, auch in Deutschland gesstartetes Werk – „Tammy - voll abgefahren“ -- wurde in den USA rund um den publikumsstarken Nationalfeiertag 4. Juli ins Rennen geschickt. Trotz großer Konkurrenz eine sichere Bank. Mit 20 Millionen Dollar Produktionskosten und 3000 Leinwänden zum Start ist das schräge Road-Movie schon jetzt Schnäppchen und Dukatenesel zugleich. Für die „Dicke vom Dienst“ ein Sprung in die erste Liga der Traumfabrikarbeiter.

Der "Rolling Stone" räumte sein Cover für McCarthy frei

Nicht zufällig räumte der „Rolling Stone“ für die aktuelle Ausgabe sein Cover frei für das Breitwand-Strahlen des Wonneproppens, der im Interview eine nachdenklich gute Figur und reichlich klugen Schabernack auf eigene Kosten macht. Wie auch bei TV-Komiker-Guru Jon Stewart, der kürzlich seine „Daily Show“ in den Dienst von „MM“ stellte. Höflich wurde auch dort darüber hinweggesehen, dass „Tammy“ Melissa McCarthy nicht wirklich auf den Leib geschrieben ist, obwohl sie erstmals als Ideenstifterin und Ko-Produzentin an der Entstehung beteiligt war.

Die Story einer vom Leben gebeutelten Verliererin (Job weg, Mann weg), die mit der Oma (Susan Sarandon) und Schandmaul auf Abenteuer-Tour geht, dreht untertourig, auch wenn die arbeiterklassische Hauptdarstellerin ständig Gas gibt. Trotz etlicher Verrisse der gnadenlosen Hollywood-Kontrolleure ist „Tammy“ in der neuen, ganz anderen McCarthy-Ära, die Amerika erlebt, ein Erfolg beschieden.

Selbstbewusst und eigensinnig

Vorgezeichnet war das beileibe nicht. McCarthy, aufgewachsen in bescheidenen irisch-katholischen Bauernverhältnissen, ging Jahre durch das Stahlbad der Comedy-Klubs. Vor allem bei den „Groundlings“ in Kalifornien verfeinerte sie ihren Full-Contact-Stil, der manchen Zuschauern unangenehm unter die Haut kriecht. Und traf nebenbei auf Ben Falcone. Im Privaten seit 2005 ihre Ehemann und Vater ihrer Töchter Vivian (7) und Georgette (4). Beruflich Augenzeuge ihres Durchbruchs 2011 mit „Bridesmaids“ („Brautalarm“). Falcone spielte in der Hochzeits-Schnurre den verknatterten Air-Marschall, den sich die kapriziöse White-Trash-Tussi Megan (Melissa McCarthy) auf dem Klo zum Beischlaf über den Wolken zurechtrückt. Die Folge: Publikumsapplaus. Und eine Oscar-Nominierung. Es wird nicht die letzte gewesen sein.

Melissa McCarthy unterläuft mit einer großen Portion Selbstbewusstsein und Eigensinn das ungeschriebene Gesetz in Hollywood, wonach es nicht reicht, nur auf der Leinwand gut zu sein. Frau muss auch zweit- und drittverwertungstauglich sein: Kosmetik, Klamotten, Bling-Bling. McCarthy ulkt gegen den Trend an. Demnächst bringt sie ihre erste Mode-für-Mollige-Kollektion auf den Markt. „Ich war es leid, nur Matronenhaftes oder vollkommen Unangemessenes angeboten zu kriegen“, erinnert sie sich an die verzweifelte Kleidersuche für die Oscar-Verleihung 2012.