Essen. . Es gab einmal eine Zeit, da war Fußball die schönste Nebensache der Welt. Das sieht die Welt heute ganz anders. Zumindest drängt sich der Gedanke auf, denn seit dem Anpfiff für die Weltmeisterschaft in Brasilien schalten andere Unterhaltungsgebiete in den Pausenmodus – vor allem das Kino.

Vom 12. Juni bis zum 3. Juli werden lediglich 34 Filme neu in die Kinos kommen. Acht Neustarts pro Woche, das mag auf den ersten Blick viel erscheinen. Niemand schaut sich das alles an, wenn er nicht muss. Der Punkt ist, was gezeigt wird. Familienunterhalter Walt Disney hat mit „Tinkerbell und die Piratenfee“ noch schnell einen Kinderhit ins Rennen geschickt. Vieles sonst ist Arthouse-Ware, mal dokumentarisch, mal dramatisch, meist sperrig; Nischenkino mit Tendenz zum Kultursnobismus.

Und dann gibt es noch die Frauen, denen man nach wie vor wenig Begeisterung für sportliche Großereignisse unterstellt. Die Lockstoffe für diese Zielgruppe attackieren das Herz („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“), die Füße („Cuban Fury“) und das Zwerchfell („Mädelsabend“, „Tammy“). Das ist durch die Bank Filmfutter zweiter Klasse, aber immerhin gibt es ein Angebot. Für Männer gibt es nichts. Kein Thriller, keine Action, nicht mal einen Spaßfilm.

Filmindustrie nimmt volle Deckung

Wie kann das sein? Klar, die WM dauert vier Wochen, aber die Deutschen spielen in der Vorrunde nur drei Mal. Wenn alles gut läuft, folgen vier weitere Spiele. Alle anderen Begegnungen auf dem Platz sind Special Interest. Dennoch hat die Filmindustrie volle Deckung genommen; sogar in den USA, wo Fußball bestenfalls die dritte Geige im Sportinteresse darstellt. Lediglich Paramount wagt einen Vorstoß und schickt die Transformers am 27. Juni (Deutschland ist erst am 17. Juli dran) in ihr viertes Abenteuer.

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Drum herum gibt es leichte Komödienkost mit Kevin Hart oder Melissa McCarthy für die Frauen und einen neuen Film von Clint Eastwood fürs Arthouse. Vier Wochen, also die Hälfte der kostbaren Sommerferien (in den USA die stärkste Kinophase) verpuffen fast ungenutzt. Aber kurz vor der Weltmeisterschaft wurden wie auch hierzulande fette Blockbuster von „Godzilla“ über „Maleficent“ bis „Edge of Tomorrow“ in die Kinos gestopft, und man hofft das Publikum abzuholen, das beim Starttag durch die Lappen ging.

Im Jahr 2002 starteten 32 Filme während der WM

Der Außenstehende wird bei all dem gelassen zu diesem Schluss kommen: Wenn alle Nationen mit großem Kinomarkt (mit der Ausnahme von China) an dem einen Turnier teilnehmen, dann ist das eben Pech und saure Kinozeit programmiert. Das war aber nicht immer so. 2002 bei der WM in Süd-Korea und Japan fanden die Spiele nach MEZ am Vormittag und frühen Nachmittag statt. Trotzdem wurden nur 32 Filme in den vier Wochen gestartet, dafür aber Hochkarätiges wie „Spider-Man“.

2006 bei der WM in Deutschland kamen 46 Titel in die Kinos, bunt in der Breite, aber Großes war nicht mehr dabei. 2010 lag Südafrika in mitteleuropäischer Zeitzone und wegen der attraktiven Spiele am Abend kamen nur 26 Titel in die Kinos, darunter aber immerhin sichere Hits wie „Hanni & Nanni“, „Vergebung“ und „Für immer Shrek“.

Das Filmangebot zur WM 2014 ist ein Ausverkauf

Eine Regel lässt sich aus den Vergleichen nicht ablesen. Es spielt keine Rolle, wo eine WM stattfindet oder dass es sie überhaupt gibt. Auch 2014 schauen sich die wenigsten Leute drei Fußballspiele hintereinander an und Public-Viewing in den Innenstädten wird es wegen der Anpfiffzeiten um 21 Uhr und um Mitternacht auch etwas weniger als zuletzt geben. Wenn Kino also keine starken eigenen Akzente setzt, dann muss das gewollt sein. Das Filmangebot zur WM 2014 ist ein Ausverkauf, um Altlasten und Minderware loszuwerden. Das ist ärgerlich, aber ein Pflichtprogramm ist es zum Glück auch nicht. Es gibt ja noch genug andere Freizeitangebote – jenseits von Leinwand und Leder.