Mülheim. . Schätzungsweise jeder fünfte Marathonläufer und Fußballer leidet unter einer Entzündung der Achillessehne. Für Sportler ist sie das Schreckgespenst schlechthin, denn die Schmerzen machen jeden Schritt zur Qual. Die Therapien sind langwierig, doch in vielen Fällen bringt einfaches Training Linderung.
Für Sportler ist es das Schreckgespenst schlechthin: Entzündung der Achillessehne. Erstens ist es schmerzhaft, zweitens haben viele Angst, nicht mehr sportlich unterwegs sein zu können. Was steckt hinter der typischen Achillessehnenentzündung? Wie entsteht sie? Antworten gibt Dr. Tobias Schlegel, Facharzt für Orthopädie aus Mülheim.
Wie kann es passieren, dass die Sehne schmerzt?
Durch Fehlbelastungen zum Beispiel. Die Probleme entstehen dann an der Sehne und an der Sehnenscheide, die sie umhüllt. Aber es kann auch zur Reizungen am Knochen, am so genannten „Fersenbein“ kommen.
Welche Dinge führen denn zu Problemen?
Eine häufige Ursache ist die Überlastung. Besonders Joggen kann Probleme machen. Oft überschätzen sich die Läufer. Oder trainieren falsch.
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Wichtig ist, dass die Läufer auf die Warnsignale ihres Körpers hören: Schwellung, Überwärmung und Druckschmerz sind Alarmsignale. Sonst kann es zu einer chronischen Reizung kommen.
Was passiert in diesem Fall?
Eine chronische Achillessehnenreizung führt häufig zu einer Schwächung der Sehne. Mitunter mit bösen Folgen: Es kann zum Teilanriss oder sogar zum kompletten Riss kommen. Nicht selten wuchert im chronischen Verlauf zudem eine knöcherne Ansatzverdickung am Fersenbein mit Schleimbeutelentzündung, die die Beschwerden noch erheblich intensivieren kann.
Gibt es Faktoren, die das Ganze noch schlimmer machen?
Ja, Übergewicht, Muskelverkürzungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen der Beinachsen und der Füße wirken sich ungünstig aus. Aber auch ungeeignete Laufschuhe sind schlecht.
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Degenerative Veränderungen können bereits ab dem vierzigsten Lebensjahr auftreten. Oder Stoffwechselerkrankungen (z.B. Gicht, Fettstoffwechselstörungen) und bestimmte Medikamente (z.B. Cortison, manche Antibiotika) sind weitere Risikofaktoren.
Wie verläuft die Diagnose?
Zunächst eine körperliche Untersuchung. Unterstützend werden häufig bildgebende Verfahren wie Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen oder eine Kernspintomografie eingesetzt.
Was kann der Patient tun?
Bei einer akuten Sehnenreizung kann der Geplagte sich selbst mit Eispackungen (jedoch nicht über 10 Minuten Dauer und niemals auf bloßer Haut) helfen. Dazu Ruhigstellung mit befristeter Sportpause, Sportsalben und eventuell bedachtsamer Einnahme von entzündungshemmenden Medikamenten.
Was ist bei einem chronischen Verlauf zu tun?
Vorweg: Ganz wichtig ist, dass sich Sportler vernünftig aufwärmen. Das ist das A und O. Zudem sollte richtig gedehnt werden – zum Beispiel Dehnübungen auf einer Treppenstufe, das ist auch ein Tipp als Abschlussübung nach dem Sport. Physiotherapie hilft, genau wie spezielles Training zum Kraftaufbau.
Wie sieht es mit Einlagen aus?
Auf jeden Fall sind sie richtig und wichtig für Lauf-Enthusiasten. Sie sollten sich nach einer Laufbandanalyse maßgeschneiderte Einlagen anfertigen lassen. Hilfreich ist auch eine vorübergehende Absatzerhöhung.
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Es ist in der Tat so, dass dies nachweisbar die Zugbelastung reduziert. Aber Vorsicht! Höhere Absätze führen zur Sehnenverkürzung. Deshalb ist das keine dauerhafte Lösung.
Wie sieht es mit Ultraschall aus?
Ultraschallanwendungen, Massagen, Bandagen und Orthesen sollten zumindest als begleitende Maßnahmen erwogen werden. Als ein gutes Verfahren hat sich, nicht nur bei Sportlern, die Stoßwellenapplikation (Behandlung mit Schallwellen, Anm. d. Red.) etabliert.
Wann muss operiert werden?
Die Mehrheit der Patienten mit entzündlichen Veränderungen kann konservativ, also ohne Operation, erfolgreich therapiert werden, auch wenn sich die Behandlung bisweilen langwierig gestaltet.
Und wenn das nicht klappt?
Bei ausgedehnten Achillessehnenrissen sollte auch das operative Vorgehen erwogen werden, von speziellen Sehnennähten bis zur aufwendigen Sehnenersatzplastiken.
Welche Komplikationen kann es dabei geben?
Neben den möglichen Komplikationen bei operativen Eingriffen wie Wundheilungsstörungen oder Infektionen besteht auch nach erfolgreichem Operationsverlauf das Risiko eines erneuten Risses der Sehne. Studien zeigen, dass die Ergebnisse zwölf Monate nach der Verletzung ähnlich waren – egal, ob operiert wurde oder nicht.
Aus der Forschung: Was Betroffene tun können
Mit einem einfachen täglichen Training, das jeder Patient selbstständig ohne Hilfsmittel machen kann, klingt eine chronische Entzündung der Achillessehne deutlich ab. Auch die damit oft einhergehenden Schmerzen lassen nach. Das hat eine Forschergruppe an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) nachgewiesen.
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Chronische Entzündungen der Achillessehne kommen vor allem bei Sportlern vor. „Etwa ein Fünftel der Marathonläufer und Profi-Fußballspieler haben damit Probleme“, so Dr. Karsten Knobloch von der Unfallchirurgischen Klinik der MHH zur „Ärzte Zeitung“.
Bei 66 solcher Patienten hat Knobloch zunächst den Blutfluss in der schmerzenden Achillessehne mit der Laser-Doppler-Methode bestimmt. An der Stelle, wo sich die Sehne entzündet und verdickt hatte, war die Zirkulation in den kleinsten Blutgefäßen (Kapillaren) um fast die Hälfte erhöht. Anschließend absolvierten die Teilnehmer selbstständig ein Krafttraining: Sie stellten sich barfuß in Laufrichtung mit beiden Füßen an den Rand einer Treppenstufe, hoben sich auf die Zehenspitzen, hielten diese Position zwei Sekunden und senkten dann die Fersen unter die Horizontale der Stufe. Diese Übung wiederholten sie 15 Mal und nach einer Pause von 30 Sekunden weitere 15 Mal. Nach zwölf Wochen waren die Schmerzen um 44 Prozent gesunken.
Im Tierversuch erfolgreich
Bromelain ist ein Enzym, das aus der Ananaspflanze gewonnen wird und bei Schwellungen und Verletzungen angewendet wird. Forscher haben nun die Wirksamkeit bei Verletzungen der Achillessehne im Tierversuch untersucht. Dabei zeigte sich, dass bei den mit Bromelain behandelten Ratten die Zahl der Zellen, die für die Neubildung der Sehne verantwortlich sind, stark erhöht war gegenüber den unbehandelten Tiere.