Berlin. . Bisher waren Nachtstrom-Kunden den Großversorgern hilflos ausgeliefert. Doch jetzt gibt es Hoffnung: Denn allmählich kommt auch in diesem Segment der lange vermisste Wettbewerb in Gang. Die Verbraucherzentrale NRW rät zum Preisvergleich.

Immer wieder ärgerte sich Manfred Höing über seine Stromrechnung. Unser Leser aus Holzwickede beheizt sein Einfamilienhaus mit Nachtstrom. Und die Elektrizität für den Wärmespeicher wurde immer teurer. „Seit einigen Jahren bemühen wir uns wegen dramatisch gestiegener Strompreise, den Anbieter zu wechseln“, berichtet er. Das Vorhaben wollte zunächst nicht gelingen.

Wo er auch anfragte, hagelte es Absagen von den großen Stromkonzernen. Eon, EnBW oder Vattenfall wollten den RWE-Kunden partout nicht beliefern. „Stets wurde nach meiner Postleitzahl gefragt“, erinnert sich Höing, „und sofort gesagt, dass dorthin nicht geliefert werden darf“. Nachtstrom-Kunden seien den Großversorgern hilflos ausgeliefert.

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Zumindest für die vergangenen Jahre trifft diese Einschätzung den Nagel auf den Kopf. Das hat auch das Bundeskartellamt festgestellt. Vor drei Jahren untersuchten die Wettbewerbshüter den Markt für Nachtstrom. „Die Anbieter von Heizstrom sind in ihren Versorgungsgebieten praktisch ohne Wettbewerber und weisen in der Regel Marktanteile zwischen 99 und 100 Prozent aus“, stellten die Experten fest. Kein Wunder, dass Manfred Höing in seinem Vertrag lange gefangen blieb. Und bei RWE Vertrieb beanstandete das Kartellamt auch überhöhte Erlöse für die Jahre 2008 und 2009. Das Unternehmen glich dies mit einer Gutschrift für seine Kunden wieder aus.

Eine Ersparnis von fast 200 Euro im Jahr

Doch langsam steigt am Horizont auch für die gebeutelten Nachtstromkunden ein Hoffnungsschimmer auf. Denn allmählich kommt auch in diesem Segment der lange vermisste Wettbewerb in Gang. Leser Höing war bei der Suche nach einem alternativen Anbieter jetzt auch erfolgreich.

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Das Unternehmen E.Vita soll ihn nach Ablauf des laufenden Vertrages beliefern. „Der Nachtstrom ist 1,8 Cent billiger“, erläutert er und auch der Tagestarif noch vier Cent günstiger als beim Grundversorger. Bei einem Verbrauch von gut 11.000 Kilowattstunden Heizstrom im Jahr spart Höing fast 200 Euro im Jahr allein beim Heizen. Mittlerweile bieten neben E.Vita beispielsweise die Stadtwerke Kevelaer und Neckermann in NRW Tarife an.

"Langsam beginnt etwas, das man Markt nennen könnte"

„Langsam beginnt etwas, das man Markt nennen könnte“, sagt auch Peter Blenkers, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale NRW. Im Gebiet der RWE seien je nach Postleitzahl zwischen fünf und neun Versorger mit Angeboten präsent. Betreiber von Wärmepumpen haben etwas mehr, Heizstromabnehmer etwas weniger Auswahl. „Nicht jedes Angebot ist attraktiv“, Blenkers rät zu einem Preisvergleich. Die Verbraucher könnten bei einem Wechsel vom Grundversorger zu einem alternativen Anbieter jedoch oft einen nennenswerten Betrag sparen. Derzeit verschafft sich die Verbraucherzentrale einen Überblick über das Angebot in NRW. Bis Ostern soll eine Marktübersicht fertiggestellt sein. Ende März verfügen auch die Beratungsstellen über die Daten der einzelnen Anbieter. Einem Wechsel steht also wenig im Wege.

Das komplexe Geschäft mit dem Nachtstrom

Nachtstrom ist ein komplexes Geschäft. Es gibt bei der Energie für Nachtspeicherheizungen und Wärmepumpen zwei verschiedene Formen. Zudem wird der Verbrauch mal mit einem Zähler für Nacht- und Tagstrom gemessen, mal über getrennte Messgeräte abgerechnet. Wer nur einen Zähler hat, muss sich beim Anbieterwechsel nach einem Lieferanten für beide Stromformen umsehen.

  • Nachtspeicherheizungen sind auf dem Rückzug: 1,6 Millionen Haushalten in Deutschland beziehen ihre Wärme noch auf diese Weise. Wärmepumpen sind im Kommen – ca. 350.000 Haushalte nutzen sie. Laut Verbraucherzentrale ist die Stromheizung die teuerste Art der Brennstoffversorgung. Vor 1990 eingebaute Speicherheizsysteme dürfen ab 2020 nicht mehr betrieben werden.

  • Es gibt eine Reihe guter Gründe, warum der Wettbewerb beim Nachtstrom so schleppend in Gang kommt. „Es ist kein Markt, an dem man Riesenmargen erzielen kann“, beobachtet Blenkers. Das Bundeskartellamt hat zudem hohe Barrieren für Neulinge kritisiert. Jeder Netzbetreiber hat zum Beispiel seine eigenen Bedingungen. Konkurrenten, die bundesweit liefern wollen, müssen mit jeder Netzgesellschaft gesonderte Konditionen aushandeln. Dazu ist der tatsächliche Bedarf an Nachtstrom schwer kalkulierbar. Die benötigten Strommengen hängen stark von den Temperaturen draußen ab. Es besteht für Neulinge daher das Risiko einer Bauchlandung, wenn sie auf eigene Schätzungen angewiesen sind.

    E.Vita wagt den Sprung ins neue Geschäft. „Wir werden nach und nach Heiz-Stromtarife im gesamten Bundesgebiet anbieten“, verspricht Geschäftsführer Stefan Harder. Das Geschäft sei beratungsintensiv. Davor würden die meisten Discounter unter den Stromanbietern zurückschrecken.