Mainz. . Tobias Schlegl gehörte einst zu den jungen Wilden des Musikfernsehens – wie Stefan Raab und Christian Ulmen. Alle drei haben Karriere gemacht. Warum Schlegl beim ZDF-Kulturmagazin „Aspekte“ einsteigt und was er bei Viva lernte, verrät er im Interview.

Die Generation Musikfernsehen ist erwachsen geworden. Einer der einstmals jungen Wilden ist Tobias Schlegl, der zuletzt mit dem Satire-Magazin „extra 3“ im NDR-Fernsehen Furore machte. Jetzt steigt er bei dem ZDF-Kulturmagazin „Aspekte“ (ZDF, 23 Uhr) ein. Jürgen Overkott sprach mit dem 36-jährigen Kölner.

Ich habe Ihre Biografie gelesen und bin beeindruckt. Sie sind: Radiomoderator, Fernsehmoderator, unter anderem bei Viva, Musiker, Autor, obendrein engagieren Sie sich für Attac und sind Vegetarier. Wer sind Sie – und wenn ja, wie viele?

Tobias Schlegl: Wenn ich das wüsste. Wenn man wie ich mit dem guten, alten Punk groß geworden ist, weiß man, was man NICHT will. Man weiß damit aber nicht gleichzeitig auch, was man will. Aber eines weiß ich: dass ich die Sendung „Aspekte“ sehr gerne moderiere – und zwar auch in der neuen Form.

„Das ist eine Frechheit“

Sie sind so vielfältig, Sie könnten bei „Aspekte“ ihr eigenes Programm moderieren.

Schlegl: So groß ist mein Ego nicht. Aber es ist schon witzig, was aus den Moderatoren geworden ist, die beim Musikfernsehen angefangen haben: Herr Raab ist plötzlich beim „Kanzlerduell“, Herr Ulmen taucht beim „Tatort“ auf, und ich darf „Aspekte“ moderieren. Das hätte man damals nicht erwartet.

„Kanzlerduell“, „Tatort“, „Aspekte“ – haben Sie nur den dritten Preis gewonnen?

Schlegl: Überhaupt nicht. Das sagen Sie, das ist eine Frechheit (lacht). Ich sehe mich nicht als Nachfolger von einem Talkmoderator wie Günther Jauch, und ich sehe mich auch nicht als Schauspieler, sondern doch eher als Moderator. Also: Ich kann mir nichts Besseres und nichts Anspruchsvolleres vorstellen. Ich will gefordert werden und bei „Aspekte“ werde ich gefordert. Ich habe Gäste, ich führe Interviews, und ich werde als Reporter rausgehen. Für mich ist das der Königsthron. Aber ich bin auch demütig und sehe die 48 Jahre, die die Sendung auf dem Buckel hat.

Jan Delay will live spielen

Sie besteigen also den Königsthron. Was dürfen Ihre Untertanen erwarten?

Schlegl: Nein, nein, nein. So will ich mich nicht sehen. Weg von diesem aristokratischen Gedanken! Der Moderator geht eher aus Sicht der Zuschauer an die Themen heran. Ich habe große Lust zu staunen und Themen zu entdecken. Das liegt mir, und ich hoffe, dass mir viele Zuschauer folgen. Das ist viel Leben drin, nicht nur, weil die Sendung live ist. Das gilt auch für Auftritte von Musikern wie Thees Ullmann und Jan Delay, die schon zugesagt haben.

Viele Zuschauer nehmen Kultursendungen so wahr, als würde es sich dabei um eine ansteckende Krankheit handeln. Welches Heilmittel würden Sie verordnen?

Schlegl: Die volle Dosis „Aspekte“, und zwar mit 15 Minuten mehr als bisher. Aber glauben Sie mir: Es wird keine Überdosis sein. Wir holen die Zuschauer ins Studio, wir wollen Kultur erfahrbarer machen, und spürbarer. Es kommt auf die Haltung an. Und ich finde es extrem mutig vom ZDF, uns 15 Minuten mehr zu geben, wo überall sonst die Kulturflächen verschwinden.

„Ein Unding, dass heutzutage im Nachhinein so viele Dinge geschönt werden“

Viva, „Aspekte“! Damit hätten wir den Bogen zurück zum Musikfernsehen geschlagen. Was haben Sie da gelernt?

Schlegl: Dass man alles selber machen kann. Dass man die Beiträge selber machen kann. Dass man raus gehen kann. Dass man selbst schneiden kann, und auch vertonen. Ich habe da eine unendlich große Spielwiese gehabt und habe sie auch genutzt. Und damals hatten wir schon gute Gäste wie Robbie Williams oder Herbert Grönemeyer, und es war live. Es ist ein Unding, dass heutzutage im Nachhinein so viele Dinge geschönt und zurechtgeschnitten werden. Und noch etwas habe ich bei Viva gelernt: die Angst vor der Kamera zu verlieren.