Berlin. Moderatorenwechsel beim ältesten deutschen Kulturmagazin: Für Luzia Braun kommen Katty Salié und Tobias Schlegl.

„Kaufen Sie kein Brot!“ Wenn ein Bäcker das sagt, halten ihn alle für bekloppt. Bei Wladimir Kaminer ist das anders. Als Gastmoderator der ZDF-Kultursendung „aspekte“ hat der Lieblingsrusse der Deutschen gerade verkündet: „Gucken Sie nicht so viel fern! Schauen Sie lieber aus dem Fenster! Gehen Sie an die frische Luft!“ Der Mann weiß: Kleine Provokationen sind das beste Mittel gegen TV-Mief.

Frische Luft: Das dienstälteste deutsche TV-Kulturmagazin wird in seinem 46. Jahr einer Sauerstoffbehandlung unterzogen. Fenster auf, Durchzug. Sichtbarstes Zeichen: Nach knapp zwei Jahrzehnten Moderation verabschiedet sich Luzia Braun am 16. Dezember von den Zuschauern – am 13. Januar starten ihre Nachfolger: Die 36-jährige Katty Salié kommt vom WDR und hat dort „west.art“ moderiert, der 34-jährige Tobias Schlegl war bislang beim NDR zu Hause.

Für vier Ausgaben kommen Gastmoderatoren

Bereits jetzt kommen für vier Ausgaben Gastmoderatoren ins Studio: Russendisko-Erfinder Wladimir Kaminer und Bestsellerautor Frank Schätzing waren schon da, heute Abend (ZDF, 23 Uhr) übernimmt Anke Engelke das Ruder.

Die Frischluftmethode ist nicht neu. Zeitungen holen sich für einen Tag ungewöhnliche Blattmacher ins Haus – Bild-Chefredakteur Kai Diekmann durfte mal die linke „tageszeitung“ für eine Ausgabe leiten. Dagegen ist dies hier fast brav: Etablierte Kulturmenschen moderieren eine traditionsreiche Kultursendung. Da fällt Kaminer mit seiner Anti-Glotze-Abmoderation schon richtig auf.

Seit Wolfgang Herles die Literatursendung „Das Blaue Sofa“ macht, ist Christhard Läpple neuer Redaktionsleiter von „aspekte“. Der ehemalige Politikjournalist kämpft für seinen Laden – doch der Druck ist groß. Jede zweite Sendung startet nicht um 23 Uhr, sondern mit deutlicher Verspätung. Ältere Zuschauer gehen da lieber ins Bett. Die anderen sind freitagsabends sowieso noch unterwegs. Das hat Folgen: Die Quote liegt im Schnitt unter einer Millionen Zuschauer, in der Todeszone. Und es ist kein Trost, dass „Das blaue Sofa“, das an sechs Freitagen anstelle von „aspekte“ läuft, noch schlechtere Quoten hat. Tröstlich ist etwas anderes: Noch liegt der Marktanteil bei fünf Prozent – und das ZDF weiß, wie wichtig Kulturmagazine fürs Sender­image sind.

„Wir suchen Themen, die andere nicht finden.“

„Wir suchen Themen, die andere nicht finden.“ Mit dem neuen, jungen Moderatorenteam hofft Läpple den 35- bis 50-jährigen Zuschauern eine neue Heimat zu bieten – damit sie die überhaupt finden, spielen die Gastmoderatorin jetzt Wegweiser.

Anders als mit dem nervösen Kaminer war die Aufzeichnung mit Engelke für die Redaktion ein Spaziergang: „Sie hat Lust zu spielen und weiß genau, was eine Kamera braucht.“ Für Schriftsteller Schätzing dagegen war sein Einsatz für „aspekte“ vor allem ein Bekenntnis zum kleinen gallischen Dorf der Fernsehunterhaltung: „Ein paar unbeugsame, viel zu spät ausgestrahlte Kulturmagazine hören nicht auf, der Verblödung Widerstand entgegenzusetzen.“ Mal sehen, wie lange der Zaubertrank reicht.