Washington. . Immer häufiger werden in Amerika Menschen auf der Straße niedergeschlagen, nur damit die Täter anschließend mit ihren Attacken prahlen können. Clips der Gewalttaten tauchen hinterher bei Youtube und Facebook auf. Teils wurden die Opfer schwer verletzt.

Der nächtliche Hunger trieb Charles Pace vor die Tür. Um zwei in der Früh machte sich der 74-Jährige aus Dallas/Texas auf zu Denny‘s. Statt Hotdogs gab‘s Saures. Ein Unbekannter schlug den Rentner nieder. Mitarbeiter des Schnellrestaurants fanden ihn bewusstlos und blutend am Boden. Wie Tage zuvor den 69-jährigen Luis Rocha zwei Blocks weiter.

Beides keine Fälle von Vergeltung nach einem Konflikt, sagt Polizeisprecher Jeff Cotner, sondern ein „Knockout-Game“. Heißt: Brutale Täter suchen sich auf der Straße willkürlich menschliche Zielscheiben, sind nicht nach Geld oder Wertgegenständen aus. Sondern nur danach, ihre Opfer umzuhauen. Mit einem Hieb. Darum „K.o.-Spiel“. Aus etlichen Städten in den USA melden die Polizeibehörden inzwischen solche Fälle. Und manche Schläger wollen offenbar gefasst werden. Wie, das macht die Behörden fassungslos.

Die Täter lassen sich bei den Angriffen filmen

„Ich war neugierig, ob ich damit landesweit ins Fernsehen komme“, sagte Conrad Alvyn Barrett nach seiner Festnahme. Der 27-jährige Weiße hatte im November ebenfalls in Texas einen bald 80-jährigen Schwarzen angegriffen und übel verletzt. Barrett ließ sich bei der Attacke filmen. Danach tauchten die Clips auf YouTube und Facebook auf. Auf seinem Mobiltelefon fanden die Ermittler weitere Überfälle dokumentiert. Barrett zeigte seine „Knockouts“ abends in der Kneipe vor wie digitale Skalps.

Auch interessant

WAZ FotoPool-00023003-HighRes--198x148.jpg
Von Matthias Korfmann und Christoph Husemeyer

Seither wird darüber gestritten, ob, warum und wie soziale Netzwerke solche Gewalttaten befördern. Oder dazu inspirieren. Andere Stimmen ziehen in Zweifel, dass es überhaupt einen Trend gibt. Sie sagen, dass auch schon vor 20 Jahren Jugendliche in roher Gewalt gegen Unschuldige ein Ventil für ihren Frust suchten.

New Yorker schlug sieben Menschen zu Boden

Mag sein. Tatsache ist aber, sagen Kriminologen, dass die „Knockout“-Schläger von heute niemanden mehr verschonen. In San Francisco bekam es eine Frau ab, die gerade aus dem Tanzstudio kam. Krankenhaus. In Los Angeles wurde das Herrchen eines Gassi gehenden Hundes ausgeschaltet.

Für Aufsehen sorgte ein New Yorker, der im Dezember in Brooklyn sieben Menschen zu Boden schlug. Weil die Opfer von Barry Baldwin ausnahmslos Frauen jüdischen Glaubens waren, darunter eine Großmutter, die ihr Enkelkind im Kinderwagen betütterte, muss sich der Täter wegen eines Hassverbrechens verantworten. Normale Körperverletzung reichte der Staatsanwaltschaft nicht aus. Baldwins Opfer trugen schwere Blessuren davon. Nicht so schwere wie Nick Lloyd. Ihn erwischte es nachts in Denver an einer Straßenecke. Bis die Metallplatten im gebrochenen Unterkiefer dem jungen Mann schmerzfreies Kauen erlauben, das kann dauern.

Heimtückische Attacken auf Passanten sollen härter bestraft werden

In dieser Gemengelage dauerte es nicht lange, bis das in die Polarisierung der Gesellschaft schuldhaft verstrickte Fernsehen aus den Unglücken Dritter Quote machte. Der für bizarrste Tatsachenverdrehungen bekannte Sender Fox News wartete mit der Behauptung auf, dass es sich bei den Knockout-Games „um ein weiteres Beispiel junger Afro-Amerikaner handelt, die sinnlose Verbrechen begehen, weil sie von den Medien ansonsten kaum beachtet werden“. Polizeistatistiken bestätigen das nach Angaben des Justizministeriums nicht.

Auch interessant

POL-E_ Essen_ Mülheim_ Duisburg_.jpg
Von Christoph Husemeyerund Matthias Korfmann

Auch wenn sich die Fallzahlen noch in Grenzen halten, New York etwa verzeichnete ein Dutzend Fälle seit Oktober, ist die Politik rege geworden. In Wisconsin und Texas, in Illinois und Kalifornien sind Gesetze in Vorbereitung, die Heimtücke bei Attacken gegen arglose Passanten strenger bestrafen.

Jon Bramnick, Chef-Republikaner im Kongress von Trenton/New Jersey, verlangt kategorisch: „Ein Jahr Gefängnis ohne Bewährung. Wir müssen auf neue Gewaltphänomene schnell und unmissverständlich reagieren.“ Er denkt an Ralph Erick Santiago. Im Herbst 2012 bekam der Obdachlose in Hoboken einen schweren Faustschlag ab, stürzte, fiel auf einen Eisenzaun und starb. Die Täter waren 13 und 14.