Indien/West-Bengalen. . Eine 20-Jährige wird diesen Tag niemals vergessen. Jenen Tag, als der Dorfrat ankündigte, sie solle von 13 Männern vergewaltigt werden. Als Strafe dafür, dass sie eine Beziehung zu einem muslimischen Mann aus dem Nachbardorf hatte. Indien sorgt erneut für Schlagzeilen als Land der Vergewaltigungen.

Eine ganze Nacht lang wurde eine junge Frau nahe der Stadt Bolpur im indischen Bundesstaat West-Bengalen bis Dienstagmorgen von mindestens zwölf Männern aus ihrem eigenen Dorf vergewaltigt. Die Vergewaltigung der 20-Jährigen war vom Dorfvorsteher als Strafe dafür angeordnet worden, dass sie eine Affäre mit einem jungen Mann aus dem Nachbardorf unterhielt

Die Vergewaltigung soll der Dorfrat als Strafe angeordnet haben, weil ihm die Beziehung der 20-Jährigen zu einem muslimischen Mann aus dem Nachbardorf missfiel. Die Frau wurde mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht.

Paar konnte Geldstrafe nicht aufbringen

Wie das Opfer der Polizei mitteilte, hatte der Dorfrat das Paar zu einer Geldstrafe verurteilt. Weil es die umgerechnet 300 Euro nicht aufbringen konnte, seien 13 Männer über die junge Frau hergefallen.

Indien macht damit erneut Schlagzeilen als ein Land, in dem eine Frau nichts wert und Vergewaltigung ein Massenphänomen ist. Dass sich daran etwas ändern könnte, wird nach Angaben des Asienexperten Dr. Christian Wagner vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit noch lange dauern. „Die Konservativen schätzen eine Frau als Ehefrau und Mutter, lehnen aber moderne Rollenbilder und eine größere Eigenständigkeit der Frauen ab.“ Dennoch sieht Wagner Fortschritte. Schnellgerichte und große Proteste bei Vergewaltigungen seien ein Indiz dafür.

Dorfvorsteher hinter Gittern

„Das Verbrechen wurde von unseren eigenen Leute verübt“, klagte die Mutter des Opfers, „sie haben uns davor gewarnt, zur Polizei zu gehen.“ Als die Familie versuchte, die Tochter angesichts ihrer blutenden Wunden ins Krankenhaus zu bringen, stoppten die Nachbarn zunächst die Rettungsaktion. Schließlich konnte die Frau doch noch entkommen, um erst 24 Stunden nach der Tat medizinisch versorgt werden.

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„Wir haben 13 Männer verhaftet", verkündete ein Polizeisprecher in dem Gebiet nahe der Grenze zu Bangladesch. Unter anderem sitzt der Dorfvorsteher hinter Gittern. Er hatte die 20-jährige Frau aus Birbhum und ihren Freund aus dem Nachbardorf Chowhatta beim Liebesspiel entdeckt, die beiden dann an einem Baum festgebunden, bevor der Dorfrat das Urteil fällte. Die beiden sollten je 25.000 Rupien (ca 300 Euro) Strafe zahlen, damit die junge Frau einer Massenvergewaltigung entgehen könne.

Provisionszahlungen für Frauen

Die Gesamtsumme von 50.000 Rupien entspricht der Mitgift, die Agenten aus den Bundesstaaten Punjab und Rajastan in West-Bengalen für junge Frauen zahlen. Nach Jahren, in denen weibliche Föten abgetrieben wurden, leiden die westlichen Bundesstaaten unter Frauenmangel. Die Agenten zahlen für Frauen aus ländlichen Regionen eine Provision an Dorfvorsteher.

Der Chef von Birbhum dürfte seine Straf-Vergewaltigung aus Vergeltung für entgangenen Profit angeordnet haben – und als Warnung an andere Frauen, um zu verhindern, dass auch sie ihm die Geschäfte verderben könnten. Viele junge Frauen der Region versuchen der Zwangsvermittlung nach West-Indien zu entkommen, indem sie sich heimische Partner suchen.

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„Frauen kosten Geld“

Die konsequente Benachteiligung von Frauen hat in Indien religiöse Gründe. „In der Tradition des Hinduismus ist das Frauenbild nur nachgeordnet. Das fängt schon im Embryostatus an“, sagt Dr. Christian Wagner, Leiter der Forschungsgruppe Asien am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit. Auch wenn es verboten sei, das Geschlecht eines Fötus anhand des Fruchtwassers zu bestimmen, geschehe das täglich, um weibliche Föten abzutreiben. „Frauen kosten Geld“, sagt der Asien-Experte. Um sie zu verheiraten, müsse eine Mitgift gezahlt werden, für die sich viele Inder verschuldeten. Ein Sohn hingegen bringe durch Heirat eine Arbeitskraft und eine Mitgift mit.

Man bringt keine Schande über die Familie

„Gewalt in der Ehe ist kein Straftatbestand“, weist Christian Wagner auf ein weiteres Problem hin. 70 Prozent Indiens seien ländlich geprägt, und auf dem Land gebe es keine Fluchtmöglichkeit wie zum Beispiel Frauenhäuser. Misshandelten Frauen bleibe nur die Familie, „über die bringt man keine Schande, indem man den Ehemann verklagt“.

Die Menschenrechtsorganisation „terre des hommes“ hofft, dass in Indien ein Bewusstseinswandel stattfindet: „Die Mittelschicht lehnt Vergewaltigungen ab.“ Den Stein ins Rollen habe die Schreckenstat vom 16. Dezember 2013 in Neu-Dehli gebracht. Eine Studentin war von mehreren Männern vergewaltigt, bestialisch verletzt und auf die Straße geworfen worden.