Mainz. . Ob knarziger Kommissar beim Münchner „Polizeiruf 110“ oder als Mann, dessen Herz eine Mördergrube ist: Wenn Edgar Selge spielt, wird’s meistens großartig. Sein Auftritt als düsterer Gesell in dem ZDF-Krimi „Hattinger und die kalte Hand“ ist ein Musterbeispiel für die Kunst des Schauspielers, der im Sauerland geboren wurde.
Wo Regionalkrimi draufsteht, ist zuweilen Schrott drin. Also erstmal: Vorsicht, wenn das ZDF einen „Chiemsee-Krimi“ anpreist. Dass „Hattinger und die kalte Hand“ (Montag, 20.15 Uhr) aber aus anderem Holz geschnitzt wird und dem verhunzten Genre neues Leben einhauchen könnte, macht schon die erste Szene deutlich.
Da leuchtet die Kamera ganz in Ruhe den großartigen Edgar Selge aus, legt Kanten und Ecken (Heimat!) frei und man denkt: Jetzt könnte eigentlich nicht mehr viel schief gehen. Dummerweise ist der gebürtige Briloner aber nicht der Kommissar, sondern der Mörder (das kann man ruhig verraten, weil das Drama seine Spannung vom frühen Wissen des Zuschauers um die Hintergründe einer unappetitlichen Mordserie zehrt), und deshalb gerät der große Plan in ein gewisses Dilemma. Eigentlich will der Sender diesen Kommissar Hattinger ja zu einer Serienfigur aufbauen, vergleichbar mit dem kultigen Kluftinger der ARD, aber daran muss man nach einer Premiere mit Licht und Schatten wohl noch ein wenig arbeiten.
Fitz muss gegen Schablone spielen
Michael Fitz, lange Jahre der nette Assistent im Münchner „Tatort“, ist ein guter Schauspieler, muss sich aber hier erst noch vom banalen Strandgut befreien, mit dem das Drehbuch seinen Kommissar zustellt. Ehe kaputt, Tochter aufsässig, Möbel weg und die kahle Bude mit Depressionen notdürftig zugekleistert – das alles zählt inzwischen zur Standardausrüstung des deutschen Chefermittlers, man guckt da gar nicht mehr hoch.
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Gegen so viel Schablone kann Fitz nicht anspielen, und wenn dann noch einer wie Edgar Selge mitmacht, steht der blasse Kommissar endgültig im Schatten. Selge spielt, nein, er ist! dieser Albrecht Ostermeier, der seine Tochter bei einer missglückten Abtreibung verloren hat und nach dem Tod seiner Frau als einsamer Wolf auf Rachefeldzug geht.
Action-Szenen zerhäckseln Story
Die Geschichte ist in Ordnung, basiert auf dem Buch „Chiemsee Blues“ von Thomas Bogenberger, wird aber ein wenig holprig erzählt. Manches geht natürlich auch im Dialekt verloren, da kann man mit leben, ärgerlicher sind die Action-Szenen, die den Psycho-Krimi ab und an unvermittelt zerhäckseln. Doch immer, wenn der Selge kommt, wird es großartig. Da kriecht die kalte Wut eines einsamen Menschen aus dem Bildschirm, da wird die schreckliche Verletzung sichtbar, die erst die Seele eines Biedermanns zerstörte und jetzt drei Menschen das Leben kostet.
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Etwas aufdringlich erscheint, dass dieser Ostermeier ausgerechnet der Nachbar des Kommissars sein muss, ein Täter also, der einst mit Hattingers Tochter im Garten Ball spielte und jetzt noch mit seinem Verfolger den Pflaumenkuchen teilt. Doch auch damit findet man sich ab, nicht zuletzt, weil sich der Film nach einem etwas blutrünstigen Auftakt über weite Strecken zum Kammerspiel menschlicher Abgründe aufschwingt.
Das Finale wiederum gerät zum dröhnenden Showdown, inklusive Speedboot-Racing überm Chiemsee, und man denkt schon wieder: Muss jetzt auch nicht sein. Dennoch: Hattinger zeigt gute Ansätze, sollte Zukunft haben, und man darf gespannt sein, wie sich der nächste Fall entwickelt. Ohne Edgar Selge.