Berlin. . Berliner Radfahrer wollen eine Smartphone-App programmieren, mit der man falsch parkende Autos beim Ordnungsamt melden kann. Sie soll “Straßensheriff“ heißen und würde auch in NRW-Städten funktionieren. Die Frage ist, ob die Behörden zur Zusammenarbeit bereit sind.
Das Wort "Blechlawine" klingt so furchtbar abgedroschen, aber es passt, denn Lawinen werden ja auch immer größer. Der Pkw-Bestand in Nordrhein-Westfalen jedenfalls ist in den vergangenen fünf Jahren von 8,8 auf fast 9,3 Millionen Stück gewachsen. 453.609 zusätzliche Autos müssen irgendwo stehen, und wer einmal in der Stadt einen Parkplatz, einen Radweg oder eine Stelle zum Überqueren der Straße gesucht hat, der weiß: Sie stehen nicht nur irgendwo, sie stehen auch irgendwie. Man findet Autos auf dem Bürgersteig, auf dem Radweg und mit Warnblinker in der zweiten Reihe. Soll man das einfach ertragen - oder kann man etwas tun?
In Berlin ist es nicht besser, und dort lebt Heinrich Strößenreuther (Radfahrer, ehemaliger Greenpeace-Aktivist). Er und ein paar Gleichgesinnte glauben, dass man etwas tun kann. Im September kündigten sie eine Smartphone-Applikation an, mit der genervte Großstädter die Wiederholungstäter unter den Falschparkern an den Pranger stellen und beim Ordnungsamt anzeigen können. "Straßensheriff" soll sie heißen. Doch noch hakt es bei der Finanzierung, weil eine Spendensammlung im Internet zwar viel Aufmerksamkeit, aber nicht das benötigte Geld brachte. Seither sucht Strößenreuther Sponsoren, um die App doch noch auf den Markt zu bringen. Geplanter Termin: März 2014.
Foto, Ortung, Kommentar - und dann die Meldung ans Amt
Und so könnte es funktionieren: Man lädt sich die App auf sein Smartphone. Stört man sich an einem Falschparker, fotografiert man seinen Wagen. Das Handy speichert den Ort des Verstoßes. Nun kann der Benutzer entscheiden, was er macht: Er kann den Vorfall auf einer interaktiven Karte markieren. Er kann den Vorfall kommentieren. Er kann dem Autofahrer, wenn er selbst bei "Straßensheriff" mitmacht, eine Nachricht schicken. Und wenn er einen erwischt hat, der den App-Nutzern schon öfter aufgefallen ist, dann kann er den Falschparker über eine Schnittstelle dem Ordnungsamt melden.
Die Meldung an das Ordnungsamt dürfte die Funktion sein, die die Benutzer der App am meisten interessieren wird. Darum ist die spannende Frage, ob die Behörden bereit sind, mit den Straßensheriffs zusammenzuarbeiten.
Der Berliner Datenschutzbeauftragte hatte Bedenken
In der Hauptstadt hat Strößenreuthers Ankündigung gemischte Gefühle ausgelöst. Die Reaktionen in den Medien reichten von "endlich" bis "ekelhaft". Der Berliner Datenschutzbeauftragte teilte "in einem sehr konstruktiven Gespräch" seine Bedenken mit, worauf der ursprüngliche Entwurf etwas entschärft wurde. Aber zumindest das Ordnungsamt in Pankow/Prenzlauer Berg signalisierte ernsthaftes Interesse. "Wir sehen in der App-Entwicklung ein Pilotprojekt für eine Kooperation von Bürgern und Behörden", sagte der Pankower Bezirksstadtrat Torsten Küne - und weiter: "Ich hoffe, dass wir zeitnah mit dem Projekt starten können."
Anruf im Rathaus von Düsseldorf. In den vergangenen fünf Jahren ist hier die Zahl der angemeldeten Pkw um 22.000 gestiegen, inzwischen sind es rund 290.000. Das Düsseldorfer Ordnungsamt erwischte im vergangenen Jahr fast 435.000 Falschparker, aufgeschrieben von 60 Mitarbeitern. Hinweise aus der Bevölkerung spielten dabei keine allzu große Rolle, jedes Jahr gibt es etwa 4000. Kann man dem nicht mit dem Smartphone etwas nachhelfen?
Ein E-Mail Fach auf der Website des Ordnungsamtes gibt es schon
Ordnungsamtsleiter Michael Zimmermann ist skeptisch. "Das würde auch die Erwartung wecken, dass unsere Mitarbeiter dann sofort herbeieilen und den Fall aufnehmen", sagt er. Das sei aber weder realistisch noch vernünftig. Schließlich seien seine Mitarbeiter auf sorgfältig geplanten Routen unterwegs. Soll man sie dort abziehen, nur um einen einzelnen Fall aufzunehmen?
Schon heute gibt es auf der Internet-Seite der Stadt Düsseldorf ein E-Mail-Postfach, an das man Beschwerden über Falschparker schicken kann. "Seit es E-Mails gibt, hat sich zwar die Zahl der Beschwerden erhöht, ihre Qualität hat aber eher abgenommen", beobachtet Zimmermann. "Dass wir eine App brauchen, um es noch einfacher zu machen, glaube ich daher nicht."
Und sollte "Straßensheriff" so weit gehen, dass man mit dem Smartphone regelrechte Anzeigen erstatten kann, dann wäre für den Düsseldorfer Amtsleiter spätestens hier der Spaß vorbei: "Da würde ja von Amtswegen das Denunziantentum gefördert, und das lehne ich ab."