Münster. . 60 bis 100 Mal pro Minute schlägt unser Herz. Kein Wunder, dass es manchmal aus dem Takt gerät. Die häufigste Rhythmusstörung ist das Vorhofflimmern. Ein Experte erklärt, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Was sich hinter Vorhofflimmern verbirgt, erklärt der Kardiologe Professor Günter Breithardt. Er ist Sprecher des bundesweiten Kompetenznetzes Vorhofflimmern in Münster und befasst sich seit mehr als zehn Jahren mit dem aus der Reihe tanzenden Takt.
Was ist Vorhofflimmern?
„Es ist die häufigste und bedeutsamste Rhythmusstörung“, erklärt der Kardiologe und Rhythmusspezialist Günter Breithardt. Fast zwei Millionen Deutsche leiden nach seinen Worten unter Vorhofflimmern.
Wer ist betroffen?
Diese Erkrankung betrifft nicht nur Menschen ab einem Alter von 50 Jahren, deren Herzmuskel durch die Jahrzehnte andauernde „Pumparbeit“ geschwächt ist. Auch noch recht junge Hochleistungssportler können Patienten werden.
Was sind die Ursachen?
„Eine starke Belastung der linken Herzkammer ist meist der Auslöser. Extreme Bewegung, hoher Blutdruck, Übergewicht und Diabetes sowie eine generelle, manchmal auch ererbte Herzschwäche können die Symptome verstärken“, sagt Professor Breithardt.
Weshalb ist die Erkrankung so gefährlich?
Riskant sind vor allem die Folgen der unregelmäßigen Schläge. Denn dadurch wird das Blut nicht mehr im richtigen Tempo aus den Vorhöfen in die Herzkammern gepumpt. Auf diese Weise bilden sich Gerinnsel, die nicht im Herzen bleiben, sondern durch die linke Kammer über die Körperschlagader (Aorta) und die Halsschlagadern ins Gehirn gelangen.
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Die Blutstrombahn bleibt dort nicht eine Art Autobahn, sondern verzweigt sich in Nebenstraßen. Dadurch kann ein Gerinnsel leicht eine der kleineren Hirn-Adern verstopfen. Das Hirnareal, das durch diese Ader mit Blut versorgt wird, erhält schließlich keine „Nahrung“ mehr. Schnell sterben Gewebeteile ab, ein Schlaganfall entsteht.
Wie können die Gerinnsel gestoppt werden?
Erst einmal gilt es, das Vorhofflimmern zu diagnostizieren. Dann muss es richtig behandelt werden. Keine leichten Aufgaben, denn zuweilen „flimmert“ das Herz lediglich für wenige Minuten. Das genügt jedoch laut Breithardt, damit sich ein Gerinnsel bildet. Es löst sich schnell von der Wand des Vorhofes und wandert zum Gehirn.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Hat man das Gefühl, dass das Herz rast, und bekommt man oft plötzlich keine Luft mehr, sollte ein Termin beim Herzspezialisten vereinbart werden. Günter Breithardt: „Patienten spüren häufig auch Druck auf dem Brustbein, fühlen sich nicht mehr belastbar und haben Angstzustände.“
Wie stellen Mediziner die Erkrankung fest?
Selbst kurze Episoden können entweder mit einem mehrtägigen Langzeit-EKG (Elektrokardiogramm) oder mit Hilfe eines scheckkartengroßen Gerätes festgestellt werden.
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Kardiologe Breithardt: „Dieses Gerät legt der Patient auf seine Herzgegend. Daraufhin zeichnet es Daten auf und überträgt sie mit Hilfe eines Telefons zum behandelnden Arzt.“ Auf vergleichbare Weise können auch Schrittmacher das Vorhofflimmern über längere Zeit überwachen.
Wie sieht die Behandlung aus?
Bei Menschen mit Vorhofflimmern, die das Risiko eines Schlaganfalls in sich tragen, muss die Blutgerinnung mit Medikamenten gehemmt werden. Traditionell geschieht dies seit den 1960er Jahren durch sogenannte Vitamin-K-Antagonisten, unter denen Marcumar der bekannteste ist. Ganz unbedenklich ist diese Behandlung indes laut Professor Breithardt nicht: „Die Wirkung des Mittels kann durch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder bedingt durch die Ernährung entweder sehr verstärkt oder stattdessen abgeschwächt werden.“
Viele Patienten treibt zudem die Befürchtung um, dass Blutungen im Gehirn entstehen. Der Kardiologe beruhigt: „Gerinnungshemmer haben bei der Verhinderung von Schlaganfällen einen Nutzen, der wesentlich größer ist als mögliche Nebenwirkungen.“ Wichtig sei es, die Wirkung regelmäßig durch Tests zu überwachen, die im Labor untersucht werden.
Ist das nicht sehr aufwändig?
Die schlichte Antwort des Experten lautet: ja. Deshalb seien drei Substanzen, die neu auf den Markt gekommen sind, interessant. Denn diese wirken direkt im Blut gegen die Gerinnungsfaktoren, sie haben weniger Nebenwirkungen und Patienten müssen ihre Werte nicht immer wieder kontrollieren lassen.
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Der Kardiologe erläutert: „Mithilfe der neuen Gerinnungshemmer kann die Gefahr der Blutungen im Gehirn quasi halbiert werden.“ Allerdings sind die neuen Medikamente teuer und werden daher nicht häufig verschrieben.
Wer kann von der neuen Therapie profitieren?
„Auch wer über eine gesetzliche Krankenkasse versichert ist, hat Anspruch auf eine Behandlung mit diesen Gerinnungshemmern“, sagt Günter Breithardt und macht Mut, die Therapie einzufordern: „Es muss gute Gründe geben, wenn die Medikamente nicht verschrieben werden.“
Wie hilft das Kompetenznetz Vorhofflimmern, gegen die Krankheit vorzugehen?
Das Kompetenznetz wird seit 2003 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Die Experten, die in diesem Netz zusammenarbeiten, erforschen im Detail die Hintergründe für das Vorhofflimmern. „Wir gewinnen unter anderem Erkenntnisse darüber, auf welche Weise Bluthochdruck zu den Rhythmusstörungen führt und welche Fehler bei der Therapie gemacht werden“, sagt Breithardt. Das Ziel der Arbeit sind bessere Behandlungsstrategien. Ab 2015 soll das Münsteraner Zentrum mit dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislaufmedizin zusammenarbeiten, damit die Herzen der Deutschen im richtigen Takt schlagen.