Bangkok. Der Taifun “Haiyan“ ist über die Philippinen hinweggezogen. Ganze Städte verschwanden in den Fluten, über 125.000 Menschen wurden evakuiert. Der Sturm gilt als der schwerste, der jemals auf Land traf - zuletzt waren auch der Verteidigungs- und der Innenminister verschollen.
Die Wetterstation in dem kleinen Städtchen Guiuan in Ost-Samar, der östlichsten Provinz der Philippinen, meldete um 4.40 Uhr Ortszeit noch: Yolanda hat uns erreicht. Dann brach jeder Kontakt ab. Niemand weiß, was aus den 30 000 Bewohner geworden ist, die als erste die schier unvorstellbare Wucht ertragen mussten, mit der am Freitagmorgen der Monstertaifun „Yolanda“ – international „Haiyan“ getauft – über die Halbinsel hinwegfegte.
Wellen von bis zu sechs Metern Höhe, so hatten Meteorologen gewarnt, würden aufgepeitscht von dem Taifun mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 380 Stundenkilometern die Küste überschwemmen.
Während Guiuan kurz nach Eintreffen des katastrophalen Sturms mit Mann und Maus sozusagen von der Bildfläche verschwand, hatten die Bewohner der Stadt Tacloban noch ein paar Stunden Zeit, das heraufziehende Drama in allen seinen Einzelheiten zu schildern.
„Ich fühle mich wie in einem Flugzeug, das Turbulenzen durchfliegt, während draußen alles abbricht“, twitterte eine Bewohnerin. Andere Augenzeugen berichteten von Wellblechdächern, die wie Schemen von Papierfetzen durch die Luft segelten.
Es dauerte nicht lange, bis die ersten Videos von überfluteten Straßen samt Gerümpel aus Tacloban im Internet auftauchten. Doch bald verstummten auch aus dieser Stadt die Katastrophenberichte.
Keine Kommunikation mit den wichtigsten Ministern
Wie schlimm es dort aussehen muss, machte wenige Stunden später eine Nachricht aus Manila deutlich. Verteidigungsminister Voltaire Gazmin und Innenminister Manuel „Mar“ Araneta Roxas seien verschollen. Es gebe keine Kommunikationsverbindung mit den beiden wichtigsten Ministern für Katastrophenfälle mehr, meldete die Regierung in Manila. Beide waren nach Tacloban gereist, um sozusagen im Auge des Sturms Rettungsarbeiten zu leiten.
Mit einer Breite von rund 400 Kilometer zog der 24. Taifun, der in diesem Jahr die Philippinen heimsuchte, quer durch das Zentrum der Inselnation. Rund zwölf Millionen der 90 Millionen Filipinos wurden von dem Sturm bedroht.
Vor Eintreffen des Taifuns hatten die Behörden 125 000 Menschen aus besonders gefährdeten Gebieten evakuiert. Darunter befanden sich auch 5000 Obdachlose, die seit dem Erdbeben vor einigen Wochen auf der Insel Bohol, das 22 Tote forderte, in Zelten lebten.
"Haiyan" zog über Holz- und Palmenhütten hinweg
Ein großer Teil der betroffenen Bevölkerung lebt indes ohnehin in Holz- oder Palmenhütten. Sie können kaum einem mittelmäßigen Sturm standhalten, geschweige denn einem der vier schlimmsten Taifune, die während der vergangenen 150 Jahre irgendwo Land erreichten. Taifune bilden sich über dem Ozean und bauen dort ihre immense Kraft auf.
Yolanda zog zudem über vier Gegenden hinweg, in denen laut einer Tageszeitung in Manila ohnehin die Ärmsten der Armen hausen. Auf 23 Milliarden US-Dollar bezifferten am Freitagnachmittag Experten in der Hauptstadt Manila die wahrscheinlichen Schäden, während der Taifun sich noch über dem Land austobte.
Vorbereitungen mit das Schlimmste
Hilfsorganisationen und die Regierung in Manila bereiteten sich auf das Schlimmste vor. „Wenn wir geeint sind, kann uns kein Taifun etwas anhaben“, brüllte Präsident Benigno Aquino sozusagen gegen den pfeifenden Wind an, der über einen großen Teil seines Landes hinweg pfiff. Aber sowohl Manila als auch Hilfsorganisationen vor Ort mussten am Freitag erst einmal abwarten.
Denn der Taifun bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von 40 Stundenkilometern vorwärts und brauchte bis zum Freitagabend, um über das südchinesische Meer in Richtung Vietnam zu ziehen. Dort wird Yolanda bei der Ankunft zwar einen großen Teil seiner Kraft verloren haben. Aber es wird dort sowie in Laos und dem Norden Thailands massiven Regen und Überschwemmungen geben.
Einziger Trost für die Filipinos: Das Katastrophengebiet ist nicht sehr bergig. Dieser Umstand lindert zwar die Gefahr von Erdrutschen. Der Mangel an Bergen bedeutete aber auch, dass die Sturmböen des Taifuns kaum geschwächt wurden.