Rom. Ob Geburtenkontrolle oder Scheidung: Die Regeln der katholischen Kirche sind streng. Nun will Papst Franziskus offenbar eine breite Diskussion der katholischen Kirche über Ehe und Familie anstoßen. Der Weg zu konkreten Reformen ist allerdings noch weit.
Wenn dieser Papst die Führungsaufgabe der katholischen Bischöfe umreißt, dann pflegt er nicht nur zu sagen, die Hirten müssten „nach ihren Schafen riechen“. Mitte September, beim Einführungsseminar für frisch geweihte Bischöfe, ging Franziskus einen Schritt weiter. Oder zurück. Er schärfte den jungen Amtsbrüdern ein, sie sollten zwar durchaus vor den Gläubigen hermarschieren, „um ihnen den Weg zu weisen“. Sie müssten „aber auch hinter der Herde einhergehen, um dem Spürsinn zu folgen, den das Volk Gottes beim Auffinden neuer Wege hat.”
Die Hirten im Vatikan haben Franziskus‘ neuen Ansatz unverzüglich verwirklicht. Zur Vorbereitung der für Herbst 2014 angekündigten Synode über Ehe und Familie wollen sie nicht nur – wie üblich – hören, was die Bischöfe in aller Welt zum Thema denken. Den entsprechenden Fragebogen sollten sie erstmals auch „so weit wie möglich an Dekanate und Pfarreien“ verteilen, schreibt der neue Sekretär der Bischofssynode, Lorenzo Baldisseri. Mit anderen Worten: Diesmal sollen Kirchengemeinden und einfache Gläubige mitreden.
Möglichst schnell, bis Ende Januar, soll die Umfrage vonstatten gehen. Aber wie? In der Deutschen Bischofskonferenz will sich erst deren Ständiger Rat Ende November mit der Prozedur befassen. Die Bischofskonferenz von England und Wales war da deutlich schneller: Sie hat den Fragebogen zur allgemeinen Online-Abstimmung ins Internet gestellt.
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Verbot von Pille und Kondom
Erstmals will der Vatikan tatsächlich wissen, wie – beispielsweise – die katholische „Morallehre zur Geburtenregelung“ mit ihrem kategorischen Verbot von Pille und Kondom akzeptiert wird und was „die problematischsten Aspekte sind, die die Akzeptanz bei der großen Mehrheit der Ehepaare erschweren“. In welchem Maß — und bezüglich welcher Aspekte — sei diese Lehre im außerkirchlichen Bereich wirklich bekannt? Und: „Wird sie akzeptiert, zurückgewiesen und/oder kritisiert? Welche kulturellen Faktoren behindern die volle Annahme der Lehre der Kirche über die Familie?“
Zählte für den Chef der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, vor wenigen Tagen in beinahe dogmatischer Weise ausschließlich die klassische Lehre, nach welcher wiederverheiratete Geschiedene von den kirchlichen Sakramenten ausgeschlossen bleiben, so fragen die Organisatoren der Bischofssynode jetzt erstmal ganz praktisch nach, inwieweit diese Personen „eine wichtige pastorale Realität“ darstellen: „Welchen Prozentsatz machen sie schätzungsweise aus? Wie viele fragen nach den Sakramenten?“ Und: welche Lösungsmöglichkeiten wären denkbar?
Umgang mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften
Zur Bestandsaufnahme gehört auch, inwieweit gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in den einzelnen Staaten anerkannt werden: „Was ist die Haltung der Ortskirchen sowohl gegenüber diesem Staat, als auch gegenüber den von dieser Art von Verbindungen betroffenen Personen?“ Und: „Wie soll man sich auf pastoraler Ebene mit Blick auf die Glaubensweitergabe in jenen Fällen verhalten, in denen gleichgeschlechtliche Partner Kinder adoptiert haben?“ Überhaupt: Wie viele Kinder leben in diesen Familien?
Die Bischofssynode selbst soll erstmals in zwei Stufen stattfinden: 2014 die Bestandsaufnahme, 2015 dann die Verabschiedung „konkreter Leitlinien für die Seelsorge“. Reformen, falls es sie gibt, werden also noch Zeit brauchen. Aber so breit und so gründlich wie diese ist noch keine Diskussion im Vatikan vorbereitet worden.