Erfurt. . Viel Jugend-Stil im Tatort („Kalter Engel“) am Sonntag: Alina Levshin, die junge Juristin, stößt als Praktikantin zum Team. Mit ihrem oberschlauen Fachwissen nervt sie zwar, hilft aber bei der Lösung des Falls. Zwei Männer, eine Frau: Das eröffnet Möglichkeiten für Bündnisse und Rivalität.

Der verdächtige Frauen-Mörder (Godehard Giese) rennt, der Kommissar auch. Er kommt keineswegs aus der Puste. Der Fahnder heißt Maik Schaffert (Benjamin Kramme) und könnte glatt als Student durchgehen. Als Sport-Student. Die Eingangsszene im neuen „Tatort“ aus Erfurt (Sonntag, ARD, 20.15 Uhr) wirkt wie Jugend trainiert für Olympia.

Auch sein Kollege Henry Funck (Friedrich Mücke) kommt so jung wie dynamisch rüber: ein Frauentyp, so lässig wie Til Schweiger in seinen besten Momenten, allerdings ohne dessen Selbstverliebtheit und, wichtiger noch, ohne dessen fistelige Nuschelstimme.

Ein Trio mit vier Fäusten – und einer Praktikantin

Maik ist klein und blond, Henry groß und dunkel – ein Kumpel-Duo, wie es, wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau, die Bleifuß-Serie „Alarm für Cobra 11“ kennt. Doch der Erfinder des Konzepts, Regisseur und Drehbuch-Autor Tom Bohn, erweiterte das Team zum Trio. Die Dritte im Bunde ist eine junge Juristin, die bei der Polizei ein Praktikum macht: Johanna Grewel. Alina Levshin zeigt nach Rollen als naive Zwangsprostituierte in der Dominik-Graf-Serie „Im Angesicht des Verbrechens“, aggressive Nazi-„Kriegerin“ und verstört-verhuschte Psycho-Tante „Alaska Johansson“ eine neue Facette ihres Könnens: als scheue, hochbegabte Nervensäge.

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Zwei Männer, eine Frau: Das eröffnet Möglichkeiten für Bündnisse und Rivalität. Drei sind, wie der Volksmund weiß, einer zuviel. Regisseur Bohn reizt das aus. Die Praktikantin muss zunächst stehen, hat buchstäblich keinen Platz. Vor allem Macho Funk kommandiert sie gern herum, nimmt sie nicht ernst. Die junge Kollegin reagiert mit scheuem, beinahe versteinertem Blick – und nervt das Herren-Duo mit oberschlau vorgetragenen Kenntnissen aus Chemie, Medizin und, ja, auch Psychologie.

Erzählstil fürs ältere Publikum

Ihre Kenntnisse helfen natürlich bei der Lösung des Premierenfalls, den Bohn – Achtung, Jugend-Stil! - im Erfurter Studenten-Milieu ansiedelt. Ein „kalter Engel“ (Episodentitel) ist tot, und vordergründig verweisen alle Spuren auf den Schmutzfuß, der schon zwei Frauen auf dem Gewissen hat. Der Schurke hat im Krimi eine wichtige Funktion: Er gibt Anlass zu einer Schießerei und dann, etliche Szenen später, zu einer ordentlichen Prügelei im Treppenhaus – Elemente, die für junges Fernsehen unerlässlich scheinen.

An deutlich älteren Mustern orientiert sich die Erzählweise des Krimis. Bohn drückt immer wieder auf die Tempo-Bremse. Zudem streut er Altbekanntes ein: Studenten greifen gern mal zu Drogen (wobei heutzutage Psycho-Doping angesagt zu sein scheint), und junge Frauen schmeißen sich zuweilen an vermögende Liebhaber in vorgerücktem Alter heran.

Unsere Zusammenfassung: lauer Fall, starkes Team. Der neue „Tatort“ ist ein Versprechen, das folgende Fälle einlösen müssen.