New York. . Die Website “Buzzfeed“ macht anderen Journalismus: Bunt, skurril und auf die schnelle Verbreitung im Netz ausgerichtet. Millionen Leser klicken die Artikel an. Inzwischen gibt es dort sogar seriöse Nachrichten. Das Motto der Macher: “Der Journalismus ist nicht tot, er braucht nur einen Neustart“.
"23 Gründe, warum Essen gehen echt stressig ist", Witze aus der Fernsehserie "Die Simpsons", dazu der Zank zwischen US-Demokraten und Republikanern, Wirtschaftsberichte und eine Liste der "29 Fehler, die du mindestens einmal im Leben machen wirst" (Nummer 27: "Dich aus deiner Wohnung aussperren"). So sieht die Webseite "Buzzfeed" aus. Sie begann als Anlaufpunkt für Sammlungen niedlicher Katzenbilder, die sich wie ein Lauffeuer durchs Internet verbreiteten. Inzwischen treibt "Buzzfeed" den Einstieg in den seriösen Journalismus immer nachdrücklicher voran. Mit ihrer Mischung aus Bildersammlungen, Listen und Exklusivnachrichten hat die Online-Plattform ein erstaunliches Publikum erobert.
"Wir haben mit den Katzen und den Netzkulturzeugs begonnen, weil das die jüngere Generation der Nachrichtenkonsumenten anspricht", sagte "Buzzfeed"-Chef Jon Steinberg dem TV-Sender CNBC. Inzwischen beschäftigt das Portal mehrere Investigativ-Journalisten und Politikreporter, die teils von renommierten und alteingesessenen Zeitungen herübergewechselt sind.
Portal leistet sich auch Auslandskorrespondenten
Die frühere Moskau-Korrespondentin des britischen "Guardian", Miriam Elder, ist beispielsweise für Außen- und Sicherheitspolitik zuständig. Sogar Auslandskorrespondenten leistet sich das Portal: Max Seddon, früher Reporter der US-Nachrichtenagentur AP, berichtet seit dem Sommer für "Buzzfeed" aus Moskau. Chefredakteur ist seit 2011 Ben Smith, der zuvor für die Politik-Webseite "Politico" arbeitete. Unter seiner Regie wurde "Buzzfeed" von einer witzig-bunten Zeitvertreib-Webseite für gelangweilte Studenten zu einer ernst genommenen Nachrichtenseite; auch dank der Hilfe von Dutzenden Mitarbeitern, die neben dem Schreiben auch fleißig twittern.
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"Der Journalismus ist nicht tot", ist Chef Steinberg überzeugt. "Er braucht nur einen Neustart." Dafür setzt "Buzzfeed" auf Inhalte, die die Leser unbedingt ihren Freunden auf Facebook, Twitter, oder per E-Mail zeigen wollen. Gründer Jonah Peretti nennt es das "Bored at work network": Meist junge Menschen, die während der Arbeit gelangweilt durchs Netz surfen. Als Student am Massachusetts Institute of Technology erforschte der heute 39-Jährige, warum Menschen auf Internet-Links klicken und diese mit ihren Freunden teilen. Heute setzt Peretti diese Theorien mit großem Erfolg in die Praxis um - zunächst bei der "Huffington Post", bevor er 2006 "Buzzfeed" gründete.
Das Rezept hat Erfolg: 85 Millionen Menschen besuchten nach Angaben von "Buzzfeed" im August 2013 die Webseite - drei Mal so viele wie noch ein Jahr zuvor. Längst gehört das Onlineportal zu den 100 am häufigsten angeklickten Webseiten der USA, 300 Menschen arbeiten im Büro der Online-Plattform im New Yorker Stadtteil Manhattan. Die Seite macht eigenen Angaben zufolge in einer Zeit, in der viele Medien über finanzielle Schwierigkeiten klagen, Gewinn - wieviel, das wollen die "Buzzfeed"-Macher allerdings nicht sagen.
Buzzfeed ist sogar Vorbild für die "Washington Post"
"Sie haben es geschafft, sehr viel Aufmerksamkeit zu bekommen", sagt Caroline O'Donovoan, die an der Harvard-Universität über Journalismus forscht. "Es funktioniert für "Buzzfeed" und viele andere wollen jetzt etwas von dieser Magie abhaben." Andere Webseiten versuchen sich in ähnlichen Aufmachungen, sogar die renommierte "Washington Post" betitelte ein Erklärstück mit "Die neun Fragen zu Syrien, die Ihnen peinlich sind". Die Zeitung gründete jüngst das Portal "Know More", das ebenfalls bunt an Themen herangehen soll.
Auch in Großbritannien ist "Buzzfeed" bereits aktiv. Gerade kündigten die Macher französische, spanische und portugiesische Versionen mit von Lesern übersetzten Inhalten an. Ob auch ein deutscher Ableger geplant sei, dazu wollte "Buzzfeed" sich gegenüber der Nachrichtenagentur dpa zunächst nicht festlegen.
Geld macht die Seite vor allem mit von Firmen gesponserten Artikeln. So platzieren Frauenzeitschriften Texte über die besten Anmachsprüche oder Fluglinien Artikel über schöne Reiseziele. Die Artikel sind zwar gekennzeichnet, unterscheiden sich sonst aber wenig von dem Rest der "Buzzfeed"-Geschichten. Für Kritiker ist dies eine Verletzung journalistischer Standards.
Man dürfe "Buzzfeed" vielleicht gar nicht mit alteingesessenen Medien vergleichen, sagt Journalismus-Expertin O'Donovan. "Das Ziel der Seite war immer, etwas aufzubauen, was sich schnell verbreitet", sagt sie. Diese Welle ziehe auch die seriösen Inhalte mit. "Alles, was die Menschen dazu bringt, sich Nachrichten anzusehen, ist erstrebenswert." (dpa)