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Nachrichtenportale in den USA und Deutschland denken laut darüber nach, anonyme Kommentare unter ihren Artikeln zu unterbinden. Damit wollen sie die Debattenkultur im Netz zivilisieren. Auch andere Ideen, wie das gelingen kann, gibt es inzwischen viele.

Es gibt eine neue Diskussion der Nachrichtenportale im Internet. Diesmal dreht sie sich nicht um Paid Content, sondern um die Debattenkultur der Nutzer. Klar, um den Glauben an Sitte und Anstand für mehrere Stunden zu verlieren, muss man sich nicht zwingend die Kommentarbereiche von News-Seiten ansehen, dazu genügt oft schon ein der Besuch der Autowaschanlage an einem Samstag. Für Nachrichtenportale werden Rüpel aber spätestens dann zu einem Problem, wenn sie das Image gefährden und andere Nutzer in ihrer Meinungsfreiheit einschränken.

„Es ist schon so, dass sich seriöse Kommentatoren von den lauten Störern einschüchtern lassen“, sagt Miriam Lessmann. Sie arbeitet seit drei Jahren als Community-Managerin bei DerWesten, wo man von Beginn an die Hürden zur Beteiligung an Debatten niedrig gehängt hat: Da das Portal sich als Meinungsforum der Menschen in der Region versteht, sollte kein kompliziertes Registrierungsverfahren die User dabei bremsen, sich an der Diskussion rund um die Nachrichten zu beteiligen. Entsprechend groß ist das Aufkommen an Debattenbeiträgen: Rund 2000 Kommentare werden hier täglich abgegeben. Wird das Community-Management auf problematische Inhalte aufmerksam gemacht, editiert oder löscht es die entsprechenden Kommentare.

Bisweilen wird gepöbelt und geschimpft

Wie DerWesten erlauben die meisten News-Portale Nutzer-Kommentare direkt unter den Beiträgen – und dort herrscht oft, wie übrigens in vielen Online-Foren, ein ziemlich rauer Ton. Bisweilen wird bitterböse geschimpft, gepöbelt, manchmal auch gehetzt. Hinnehmen wollen das offenbar immer weniger Medien. Nur: Wie kann man das ändern?

Vielleicht so: Um die Diskussionen ihrer Nutzer zu kultivieren, erlaubt die Badische Zeitung seit Anfang des Jahres Kommentare nur noch dann, wenn es einen vollen Namen dazu gibt. Zwar kann niemand überprüfen, ob die Namen wirklich stimmen, Pseudonyme sind aber nicht mehr erlaubt. „Wenn sich Kommentarautoren mit ihrem Vor- und Nachnamen zu erkennen geben, so hat dies grundsätzlich einen positiven Einfluss darauf, wie fundiert, ernsthaft und rücksichtsvoll Debatten geführt werden“, schrieb Online-Chef Markus Hofmann zum Start der Umstellung.

Einige Wochen später sieht Hofmann nicht alle Probleme mit so genannten Trollen behoben, sein Zwischen-Fazit fällt aber durchaus positiv aus: „Der Schritt war aber […] wichtig und richtig, weil er eine ganz deutliche Signalwirkung hatte für all die User, die ernsthaft diskutieren wollen. Diese User sollen nicht durch Pöbler und anonyme Heckenschützen abgeschreckt werden.“

Echtheit von Namen nur schwer zu verifizieren

Miriam Lessmann ist skeptisch: „Ich glaube nicht, dass die Pflicht volle Namen anzugeben, das Problem wirklich lösen würde.“ Mit einem Minimum an technischem Verständnis lassen sich die meisten Registrierungsverfahren umgehen. Zu verifizieren, ob Namen echt sind, wäre mit großem Aufwand verbunden - oder würde hohe Verwaltungs-Barrieren vor die Beteiligung an einer Debatte aufbauen. Aus diesem Grund setzen einige Portale auf Facebook-Connect . Im größten sozialen Netzwerk im Internet melden sich die Nutzer in den meisten Fällen ohnehin mit ihrem echten Namen an. Also wollen einige Portale in den USA und in Deutschland Kommentare auf diesem Weg erlauben und die Anonymität so gut wie möglich ausschalten.

Zusätzlich befeuert wurde die Debatte um anonyme Kommentare durch einen Vorfall in Cleveland, USA. Die Tageszeitung „The Plain Dealer“ hatte nach Kommentaren, die einen ortsansässigen Anwalt beleidigten, die wahre Identität der Kommentatorin preisgegeben: Es war eine Richterin, die den Vorsitz bei einigen Prozessen hatte, an denen besagter Anwalt beteiligt gewesen war. Daraufhin verklagte die Richterin die Zeitung wegen Verletzung ihrer Privatsphäre.

„Anonymität ist der Normalfall. Sie ist ein akzeptierter Teil des Internets, aber es steht außer Frage, dass sich Menschen hinter ihr verstecken, um gemeine oder umstrittene Kommentare abzugeben“, sagte Arianne Huffington, Gründerin der Online-Zeitung Huffington Post der New York Times . Die Huffington Post plant, Kommentare in Zukunft von anderen Nutzern gewichten zu lassen. Man kennt das Prinzip etwa vom Online-Händler Amazon, der fragt, ob Produktrezensionen hilfreich waren. Wird ein Kommentar für besonders sinnvoll gehalten, rückt er weiter nach oben.

Aber auch in diesem Prinzip sieht Miriam Lessmann ein Problem: „In unseren Kommentaren entwickeln sich oft Dikussionen zwischen den Usern. Ein Ranking-System würde die Stränge auseinanderreißen“, fürchtet sie. Dabei wollen News-Portale ja genau das: eine Debatte, von der im Idealfall Nutzer und Anbieter etwas haben.

Was halten Sie von der Debatte um Anonymität in den Kommentaren und die Konsequenzen daraus? Ist es sinnvoll, die Kommentarfunktion zu beschränken, um die Debattenkultur zu steigern - oder würde das die Meinungsvielfalt zu sehr beschneiden?