Essen. . Es ist Welthundetag, aber manche Hunde haben wenig zu feiern. In den Tierheimen warten viele Vierbeiner, die von ihren Haltern ausgesetzt wurden – immer häufiger, weil sie die Arztkosten nicht mehr bezahlen können. Die Menschen können sich ihre Tiere einfach nicht mehr leisten.
Merlin weiß nichts vom Welthundetag, der heute gefeiert wird (was vermutlich für die meisten seiner Artgenossen gilt), er ist auch nicht eingeladen: Hunde wie er haben nichts zu feiern. Ein gutes Jahr ist der schwarze Labrador jetzt alt, und es war kein gutes Jahr. Zumindest ist das das Wenige, was man über Merlin weiß. Man fand ihn irgendwo in Bochum, mit einer Geschwulst am Ellenbogen. So ist das oft: „Neunzig Prozent der ausgesetzten Tiere sind krank“, sagt Carmen Decherdt, Leiterin des Bochumer Tierheims. Die Menschen können sich ihre Tiere nicht mehr leisten; Arztkosten sind der häufigste Grund geworden, einen Vierbeiner abzugeben.
Oder auszusetzen. Merlin ist das zweimal passiert: Ein nettes Paar fand sich, ihn aufzunehmen, wollte ihn sogar operieren lassen. Doch wenige Wochen später war er wieder da, aufgelesen vom Tierschutzverein Dortmund. „Die haben ihn einfach rausgeschmissen“, klagt Decherdt – und „die Beule war noch dicker“. Nun ist Merlin, bei dessen Zeugung auch ein Jagdhund beteiligt gewesen sein muss, bei aller Herzensgüte „ein absoluter Chaot“. Nervt seine Zwingernachbarn, klaut den Pflegern die Handtücher, macht lauter Unsinn. Er müsste also mal erzogen werden, vor allem: beschäftigt.
Denn das ist das zweite Problem. Zwei- nehmen sich Vierbeiner, die nicht zu ihnen passen, die gerade modern sind oder von Züchtern eigentlich entworfen, große Herden im Zaum zu halten. Solche Hunde wollen bewegt werden, einer wie Merlin muss „powern“, aber viele Menschen, weiß Carmen Decherdt, „holen sich einen Hund nur zum Nebenherlaufen“. Vielleicht hat das zwischenzeitliche Herrchen das auch gewollt, nur Merlin eben nicht. Fragen kann man die Leute nicht mehr: Sie sind unbekannt verzogen.
Frauchen wollte "Socke" einschläfern lassen
Ach, Socke: neun Jahre alt und immer noch so ein ungezogener Bengel! Eigensinnig und stur sei er, sagen sie im Essener Tierheim. „Keine Erziehung!“, haben sie mit Ausrufezeichen notiert. Dabei ist Socke durchaus zum Schmusen bereit – aber nur, wenn er es will. Socke ist ein typischer Fall, wie der Name schon sagt: So niedlich!
Deshalb, und weil sie gerade in Mode waren, gerieten viele Jack Russell-Terrier zu Menschen, die ein Schoßhündchen zum Liebhaben (und Vorzeigen) wollten. Aber so ist ein Russell nicht. Der ist fürs Arbeiten gemacht, braucht Vollbeschäftigung, findet Kuscheln im Körbchen ausgesprochen nichtssagend. Sockes Frauchen mochte das wenig und brachte ihn zum Einschläfern zum Tierarzt. Hat der natürlich nicht gemacht, aber die „Tröte“ angelegt, bis er nicht mehr biss.
War auch mal klein
Wenn Besuch kommt, springt Barney ans Gitter, fletscht die Zähne und erschreckt die Menschen, die ihn vielleicht abholen wollten in ein besseres Leben. Aber was soll sie auch denken, diese Mischung aus deutschem Schäferhund und türkischem Kangal, die zwar nicht mehr klein und niedlich, aber auch noch nicht erwachsen ist: Ausgesetzt hat man den Rüden, gefunden im Januar, vermittelt im September. Aber seit einer Woche ist Barney wieder da. Das neue Herrchen geht arbeiten, seine Eltern kamen mit dem unerzogenen Hundekindskopf nicht zurecht: Kissen hat er zerfetzt. „Er kann nicht allein sein“, heißt es im Tierheim über das „Sorgenkind“. Nun gehört so ein Herdenschutzhund weniger ins Haus, der müsste mindestens einen Garten hüten. Das Heimleben jedenfalls findet Barney zu laut und zu langweilig.
Schäferhunde saßen zwei Jahre lang nur im dreckigen Zwinger
Das muss man sich mal vorstellen: ein ausgewachsener Belgischer Schäferhund, der Angst hat vor einem Ball. Panschi und Bero sind so zwei, die zucken dann zusammen wie bei einer Bombe, sagt ihre Pflegerin. Die wollen nicht nur nicht spielen, die können nicht! Weil sie es nie gelernt haben. Zwei Jahre lang saßen die Geschwister in einem kleinen, dreckigen Zwinger, und mager waren sie! Wie Atrax auch, bei dem konnte man nach Jahren im Haushalt eines drogenabhängigen Pärchens die Rippen zählen.
Wie ihnen geht es vielen aus der Rasse der Malinois: sehen elegant aus, sind schlau, beweglich – und damit fordernd. Immer mehr Halter aber sind genau damit überfordert, sperren die Tiere weg, erziehen sie nicht. Dabei brauchen auch die „Malis“ nur eine Aufgabe. Und etwas Aufmerksamkeit.