München. . Hanns von Meuffels – der Münchner Kommissar könnte für Matthias Brandt zur Rolle seines Lebens werden. Im aktuellen „Polizeiruf 110“ ermittelt er in einem vorgeblichen „Kinderparadies“. In Wahrheit lauert die Hölle in dieser Vorschule mit Klavierunterricht, Shakespeare-Inszenierung und Tai Chi.

Matthias Brandt hat einen guten Lauf. Dass der 51-Jährige mit gleich vier Rollen Chancen auf den Deutschen Fernsehpreis als bester Schauspieler hat, ist kein Zufall, es ist zwangsläufig. Brandt liefert durchweg Überdurchschnittliches, vor allem als Münchner Kommissar Hanns von Meuffels. Doch im „Polizeiruf 110: Kinderparadies“ (So., ARD, 20.15 Uhr) stiehlt ihm eine niedliche Darstellerin die Show: die kleine Doris Marianne Müller als Lara.

Mit Kulleraugen und Blumenkranz auf dem Kopf wird das Mädchen zu Beginn des Films gezeigt, und der Zuschauer wünscht, dass diesem Kind in dem psychologisch raffinierten und obendrein packenden Krimi nichts passiert.

Die Scherben werden am Ende zusammengesetzt

Kino-Regisseur Leander Haußmann („Sonnenallee“) führt gleich mehrere Handlungsstränge ein. Deren Montage gleicht Scherben. Am Ende werden sie zusammengefügt. Diese Erzähltechnik, uralt und zeitgeistig zugleich, prägt den ganzen Film, sie erfordert Konzentration, verwirrend ist sie nicht.

Neben der Kleinen zeigt der Film-Einstieg ein Paar bei aggressivem Sex, wie mit böser Ironie meldet sich alsbald das Babyphone. Der Mann des Paares hört, wie seine Ehefrau daheim auf Kindergeschrei reagiert: „Bruno, hast Du schon wieder die Lara gebissen?“

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Problemkind Bruno (Vincent Brosig) ist kaum zu sehen. Aber seine Funktion ist kaum zu übersehen. Er ist der Zündfunke an der Lunte zu einem Pulverfass labiler Beziehungen. Es explodiert mit einem brutalen Mord. Die Tote ist Ella Werken (Lisa Wagner), sie wird von einem Auto überfahren. Kurz zuvor hat sie von ihrem Liebhaber Tobias Steier (Markus Brandl) verlangt, sich von seiner Frau Valeska (Annika Kuhl) zu trennen. Die Erzieherin wiederum tändelt mit Joachim Grand (Johannes Zeiler). Der so vermögende wie zerrissene Mann finanziert die Edel-Version einer Kita, eine Eltern-Initiative trägt sie.

Wie ein München-Krimi ohne München

Regisseur Haußmann und sein kongenialer Drehbuch-Autor Daniel Nocke zeigen eine Generation junger Eltern, die Zweijährigen Vorschule mit Klavierunterricht, Shakespeare-Inszenierung und Tai Chi zumuten. Vorgeblich wollen die Mütter und Väter fördern, stattdessen geht es um Fordern, Überfordern. Am meisten sich selbst: Das „Kinderparadies“ steht für einen unerfüllbaren Wunsch nach einer perfekten Welt ohne Aggression. Ein frommer Wunsch, wie der Film ganz schnell klarmacht.

Tatort-Kommissare im Schatten von Schimanski

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Der "Tatort" ist die meistgesehene Krimireihe im deutschen Fernsehen - und welche Ermittler fallen einem sofort ein? Horst Schimanski oder Heinz Haferkamp, Max Ballauf oder Lena Odenthal. In weit über 700 Folgen gab es aber auch TV-Polizisten, die kaum in Erinnerung geblieben sind, zum Beispiel diese hier: © ARD/WDR
Nein, der Mann links ist nicht 'Ekel Alfred' - aber der rechts heißt Diether Krebs. Der gebürtige Essener war 1979 als Hauptkommissar Nagel für den NDR im Einsatz - genau einmal. Bekannter war Krebs als Komödiant in
Nein, der Mann links ist nicht 'Ekel Alfred' - aber der rechts heißt Diether Krebs. Der gebürtige Essener war 1979 als Hauptkommissar Nagel für den NDR im Einsatz - genau einmal. Bekannter war Krebs als Komödiant in "Sketchup" oder Ermittler in der ZDF-Reihe "Soko 5113". © SWR/NDR/Tele Press
Volker Brandt: Er ist die deutsche Stimme von Michael Douglas und hat den US-Star beispielsweise in der Serie
Volker Brandt: Er ist die deutsche Stimme von Michael Douglas und hat den US-Star beispielsweise in der Serie "Die Straßen von San Francisco" synchronisiert. Reichlich Krimi-Erfahrung hat Brandt also - aber nicht als "Tatort"-Kommissar. Immerhin 6 Fälle hat er als Kommissar Walther für den SFB gelöst.
Klaus Löwitsch: Man glaubt es nicht, aber der Mann hatte mal Tänzer gelernt. Später war er im deutschen TV meist Detektiv oder der Bösewicht vom Dienst. Der 2002 gestorbene Schauspieler ist zudem der einzige
Klaus Löwitsch: Man glaubt es nicht, aber der Mann hatte mal Tänzer gelernt. Später war er im deutschen TV meist Detektiv oder der Bösewicht vom Dienst. Der 2002 gestorbene Schauspieler ist zudem der einzige "Tatort"-Ermittler der in der Serie zwei Ermittler verkörpert hatte: Einen Fall als Polizeihauptmeister Reinhold Dietze, den anderen als Kommissar Werner Rolfs. © imago stock&people
Jörg Hube: Einen Fall löste er als Kommissar Enders, für den WDR - 1980 war das. Seine letzte TV-Rolle war ebenfalls ein Ermittler: 2009 trat er als Hauptkommissar Papen in der ARD-Reihe
Jörg Hube: Einen Fall löste er als Kommissar Enders, für den WDR - 1980 war das. Seine letzte TV-Rolle war ebenfalls ein Ermittler: 2009 trat er als Hauptkommissar Papen in der ARD-Reihe "Polizeiruf 110" auf. Zu Teil zwei kam es nicht mehr. Hube starb am 19. Juni 2009 an Krebs. Das Foto zeigt ihn in einer Nebenrolle mit den Münchner Tatort-Ermittlern Batic und Leitmayr. © BR/TV60/Julia von Vietinghoff br
In der DDR war er ein Star, dank seiner Hauptrolle im DEFA-Kultfilm
In der DDR war er ein Star, dank seiner Hauptrolle im DEFA-Kultfilm "Die Legende von Paul und Paula". Als Tatort-Kommissar war Winfried Glatzeder nicht annähernd soviel Erfolg vergönnt. Die zwölf Folgen für den SFB als Hauptkommissar Roiter sind aus dem kollektiven Krimifan-Gedächtnis zu Recht gelöscht. © imago stock&people
Er stammte vom Niederrhein und ist einer der Tatort-Kommissars-Pioniere. 1971 und 1972 trat Paul Esser als Kommissar Kasulke in der Serie auf, für zwei Folgen. Esser (rechts im Bild in einer Pippi-Langstrumpf-Verfilmung von 1968) war später Theaterdirektor in Berlin. Als Bühnenschauspieler gehörte er einst in Düsseldorf zum Theaterensemble von Gustaf Gründgens.
Er stammte vom Niederrhein und ist einer der Tatort-Kommissars-Pioniere. 1971 und 1972 trat Paul Esser als Kommissar Kasulke in der Serie auf, für zwei Folgen. Esser (rechts im Bild in einer Pippi-Langstrumpf-Verfilmung von 1968) war später Theaterdirektor in Berlin. Als Bühnenschauspieler gehörte er einst in Düsseldorf zum Theaterensemble von Gustaf Gründgens. © imago stock&people
Wer in den 1970er-Jahren groß geworden ist, kennt ihn als Briefträger aus der Kinderreihe
Wer in den 1970er-Jahren groß geworden ist, kennt ihn als Briefträger aus der Kinderreihe "Neues aus Uhlenbusch": Hans Peter Korff war aber auch mal TV-Kommissar im Tatort. Sein Kommissar Behnke trat 1978 und 1979 für zwei Folgen auf. © imago stock&people
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Sein Gesicht kennt man meist aus Nebenrollen, etwa in "Derrick", "Der Alte" oder "Ein Fall für Zwei": Das Engagement als Tatort-Ermittler war für Volkert Kraeft letztlich auch nur eine Nebenrolle. Er ermittelte als Hauptkommissar Sander in genau einem Fall.
Klaus Höhne war in Zeiten aktiv, als der Tatort noch nicht Kult war, sondern einfach eine Krimi-Serie, die zudem nicht jeden Sonntag zu sehen war. Höhne trat 1971 bis 1980 als Kommissar Konrad für den Hessischen Rundfunk an. Nach heutigem Stand hätte er in diesem Zeitraum wohl an die 30 Filme gedreht. Damals blieb es bei acht Folgen.
Klaus Höhne war in Zeiten aktiv, als der Tatort noch nicht Kult war, sondern einfach eine Krimi-Serie, die zudem nicht jeden Sonntag zu sehen war. Höhne trat 1971 bis 1980 als Kommissar Konrad für den Hessischen Rundfunk an. Nach heutigem Stand hätte er in diesem Zeitraum wohl an die 30 Filme gedreht. Damals blieb es bei acht Folgen.
Man kannte ihn aus den Edgar-Wallace-Verfilmungen, die in den 1960ern in Deutschland als
Man kannte ihn aus den Edgar-Wallace-Verfilmungen, die in den 1960ern in Deutschland als "Straßenfeger" TV-Geschichte schrieben. In den 80ern war Heinz Drache (im Bild links) dann nochmal zurück auf dem Bildschirm. Als ergrauter Hauptkommissar Bülow in Berlin. Für sechs Folgen. © imago stock&people
Erik Schumann (hier auf einem Set-Foto von 1959 mit Sonja Ziemann): Wieder einer, der großen Kino-Stars wie etwa Jack Nicholson eine deutsche Stimme gab - als Kommissar Greve war ihm allerdings nur ein Fall vergönnt. 1981:
Erik Schumann (hier auf einem Set-Foto von 1959 mit Sonja Ziemann): Wieder einer, der großen Kino-Stars wie etwa Jack Nicholson eine deutsche Stimme gab - als Kommissar Greve war ihm allerdings nur ein Fall vergönnt. 1981: "Das Zittern der Tenöre". © imago stock&people
Wer sagt da
Wer sagt da "kenn ich!"? Klar, TV-Fans kennen Knut Hinz (links, neben Joachim Luger) als Hajo Scholz aus der "Lindenstraße". Hinz' Zeit als Tatort-Kriminalist ist auch schon etwas her. Zwischen 1974 und 1977 trat er zweimal als Kommissar Heinz Brammer auf. © imago stock&people
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Ausgerechnet der kinderlose Kommissar wirkt in der Erziehungshölle des überbehütenden Gutmenschentums wie ein Schutzengel, der mit Geschick und Gefühl Schlimmeres verhütet. Ein Glücksfall. Wie der ganze Film. Jede Rolle überzeugt. Auch die Erzählweise mit Rhythmuswechseln von aufwühlenden Szenen zu ruhigen Momenten (Schnitt: Vera van Appeldorn). Die Kita (Ausstattung: Christian Kettler) spielt eine große Rolle, München indes gar keine. In einem Nabelschau-Krimi ist die Außenwelt überflüssig.