Nairobi. Die Belagerung eines Einkaufszentrums in Nairobi dauert bereits seit drei Tagen an. Die Einsatzkräfte rücken immer weiter vor. Offenbar haben sie die Terroristen in die Enge getrieben. Ergeben wollen sich die Islamisten aber nicht. Sie drohen damit, die verbleibenden Geiseln auch noch zu töten.

Das Drama um den blutigen Angriff auf ein Einkaufszentrum in Nairobi hat auch bis in die Nacht zum Dienstag angedauert: Mehr als zwei Tage nach Beginn des Überfalls widersetzten sich die radikalislamischen Angreifer weiterhin allen Versuchen der kenianischen Sicherheitskräfte, die Westgate Mall endgültig unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie drohten mit der Tötung der letzten in ihrer Gewalt verbliebenen Geiseln.

Kurz nach Mittag waren mehrere Explosionen und Schusswechsel zu hören. Über dem mehrstöckigen Gebäude hing bis zum Einbruch der Nacht dichter schwarzer Rauch. Noch am Nachmittag hatte sich Innenminister Joseph Ole Lenku optimistisch gezeigt, die Angreifer bald überwältigen zu können. Die Sicherheitskräfte hätten inzwischen die Kontrolle über die meisten Teile des Einkaufszentrums, die Geiselnehmer könnten "nicht mehr entkommen".

Ein Mitglied der Einsatzkräfte berichtete jedoch von einem regelrechten "Katz-und-Maus-Spiel" mit den Angreifern. Laut Armeechef Julius Waweru Karangi setzten diese unter anderem Matratzen in Brand, um Verwirrung zu stiften. Bis zum Abend wurden demnach drei Mitglieder des Kommandos getötet und zehn weitere verletzt. Darüber hinaus wurden zehn Verdächtige festgenommen, wie das Innenministerium mitteilte, ohne weitere Einzelheiten zu nennen.

Somalische Shebab-Miliz droht mit weiteren Anschlägen

Zu dem Angriff hatte sich die somalischen Shebab-Miliz bekannt. Sie drohte mit weiteren Anschlägen, sollte Kenia an seinem Militäreinsatz gegen die Shebab in Somalia festhalten. Ein Sprecher der Miliz warnte im Internet, die Angreifer setzten ihre Geiseln als menschliche Schutzschilde ein. Das Twitter-Konto, über das die Miliz zunächst ihre Verlautbarungen verbreitet hatte, wurde inzwischen abgeschaltet.

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Wieviele Angreifer sich noch in dem Gebäude aufhielten, war am Abend weiter unklar, ebenso, wie viele Menschen noch in ihrer Gewalt waren. Nach jüngsten Angaben des Roten Kreuzes wurden seit Beginn des Überfalls am Samstagmittag mindestens 62 Menschen getötet und knapp 200 verletzt. Weitere 62 galten noch als vermisst. Unter den Opfern waren auch mehrere Ausländer.

Unklar war weiterhin die Identität der Geiselnehmer. Laut dem Armeechef stammen sie aus mehreren Ländern, drei von ihnen sollen unbestätigten Angaben zufolge die US-Staatsbürgerschaft besitzen. Auch die Witwe eines der Selbstmordattentäter vom 7. Juli 2005 in London, die Britin Samantha Lewthwaite, soll in den Überfall in Nairobi verwickelt sein. Die Polizei gehe entsprechenden Informationen nach, hieß es in Nairobi. Berichte, wonach auch Frauen unter den Angreifern seien, wies Armeechef Karangi allerdings ausdrücklich zurück.

Ungewöhnliche Solidarität zwischen politischen Gegnern in Kenia

Der blutige Angriff sorgte in Kenia für ungewöhnliche Solidarität zwischen den politischen Gegnern und für große Hilfsbereitschaft bei der Bevölkerung. Hunderte spendeten Blut, bis Montag gingen zudem umgerechnet 300.000 Euro an Spenden ein. Präsident Uhuru Kenyatta, dessen Neffe und dessen Verlobte unter den Opfern waren, kündigte an, nicht eher zu ruhen, bis alle Täter und Hintermänner gefasst seien.

Der Angriff löste auch international Entsetzen und Empörung aus. Nach dem Tod von vier Briten rief Premierminister David Cameron für den Nachmittag eine Krisensitzung in London ein. US-Präsident Barack Obama kondolierte Kenyatta ebenso wie dem gesamten kenianischen Volk. Er sagte Kenia alle erdenkliche Unterstützung zu.

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in den Haag gestattete Kenyattas Stellvertreter William Ruto, für eine Woche nach Kenia zurückzukehren, um sich an den Bemühungen um eine Beilegung der Geiselkrise zu beteiligen. Solange werde der laufende Prozess gegen Ruto ausgesetzt. Dieser muss sich seit dem 10. September wegen blutiger Ausschreitungen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl 2007 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Den Haag verantworten. (afp/dpa)