Berlin. . Die Berliner Schauspielerin ist, gemeinsam mit Jörg Hartmann, der Star der vorzüglichen ARD-Serie „Weissensee“. Im Interview nimmt sie kein Blatt vor den Mund – ganz gleich, ob es um ihre Rolle, ihre politische Einstellung und ihr zeitweiliges Alkohol-Problem geht.

Endlich geht sie weiter, die beste deutsche TV-Serie der vergangenen Jahre. Große Gefühle, große Politik: „Weissensee“ (ARD, Dienstag,20.15 Uhr) lebt vor allem von zwei Figuren, Jörg Hartmann als Stasi-Offizier Falk Kupfer und seinem Opfer, der oppositionellen Sängerin Dunja Hausmann, die Katrin Sass verkörpert. Jürgen Overkott sprach mit ihr.

Was haben Sie gedacht, als Sie das Rollenangebot für „Weissensee“ erhalten haben?

Katrin Sass: Ich habe gedacht, jemand muss hellsehen können. Das ist eine Rolle, die wie für mich geschrieben war.

Haben Sie Parallelen zu Ihrem eigenen Leben gesehen?

Sass: Ja, natürlich, ganz viel. Erst mal wann und wo es spielt, und zweitens wird mir jetzt, über 20 Jahre später, klar, was ich gern gelebt hätte. Ich war damals zu jung, ich war zu oberflächlich, ich war mit Politik überhaupt nicht beschäftigt. Für mich gab es nur das Theater, die Bretter, die die Welt bedeuten, und deshalb habe ich die Verhältnisse in der DDR nicht so empfunden, wie ich sie heute sehe.

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Sie sind bespitzelt worden. Wann haben Sie davon erfahren?

Sass: 1992. Ich bin schnell zu der Behörde für die Stasi-Unterlagen gerannt – im Gegensatz zu vielen anderen übrigens – und ich habe gelesen, was ich über mich finden konnte.

Was hat sich in der Beziehung zu ihren Mitmenschen geändert?

Sass: Es hat sich nicht viel verändert. Man ist, wie man ist. Was ich gelesen habe, war grauenvoll. Ich konnte es nicht fassen – auch weil eine Freundin dahinter steckte. Und das ist es auch heute noch, wenn ich darüber rede. Aber man hat heute neue Freunde, neue Bekanntschaften.

Ihre Figur Dunja Hausmann betäubt sich in der zweiten Staffel mit Alkohol. Sie selbst haben auch damit zu kämpfen gehabt.

Sass: Das war etwas ganz anderes. Das hatte bei mir nichts mit politischem Druck zu tun, das hatte andere Gründe. Dunja Hausmann ist nicht alkoholabhängig, sie kann es noch steuern. Bei mir hatte es nichts mit dem System, sondern mit meiner Persönlichkeit zu tun.

Was hat Ihnen geholfen?

Sass: Der Engel.

Wie lange hat es gedauert, wieder auf die Füße zu kommen?

Sass: Gar nicht so lange. Deshalb rede ich auch von meinem Engel. Das ist anderen so nicht gelungen. Entweder sind sie an ihrer Krankheit gestorben oder haben einfach keine Arbeit mehr gekriegt. Genau deswegen ist für mich auch ein Wunder, dass es geklappt hat.

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Dunja Hausmann ist Sängerin. Lieben Sie Chansons?

Sass: Das würde ich gar nicht so sagen. Ich habe immer gesungen, auch Schlager geträllert. Daraus bestand mein Leben. Aber dass ich das mal beruflich machen würde – das hätte ich nie gedacht.

In der Serie singen Sie Chansons.

Sass: Davor hatte ich etwas Angst. Die Lieder sind nämlich ziemlich schwierig; die trällert man nicht so dahin. Dass dann zu schaffen, hat mir unheimlich viel Kraft gegeben, daraus auch einmal ein Programm zu machen. Und dann stand auch schnell jemand von einer Plattenfirma vor der Tür.

Wie reagiert das Publikum auf Sie?

Sass: Ich war vorhin beim Arzt, stand danach vor der Tür und habe eine geraucht, und dann kam ein Mann mit einem Fahrrad vorbei, fiel mir quasi vor die Füße und meinte: Sie hier? Und ich: Ja, ich hier. Ach, meinte er, die ersten Folgen werden gerade wiederholt, ich freue mich auf die neuen. Die Leute nennen gar nicht mehr den Titel, sondern fragen nur, wann geht’s denn weiter? Das erlebt man beim Fernsehen ganz selten.

Es gibt eine Diskussion darüber, „Weissensee“ über das Jahr 1990 hinaus fortzusetzen. Was meinen Sie dazu?

Sass: Das fände ich toll. Mit Friedemann Fromm wäre das spannend: die Wendehälse. Was wird aus den ganzen Funktionären, was wird aus den Stasi-Leuten? Wie schnell drehen sie ihre Fahne im Wind? Spannend wäre auch, die anderen zu zeigen, diejenigen, die daran zerbrochen sind.