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Die ARD-Serie „Weissensee“ kombinierte Dallas mit DDR - und wurde so zum Quoten-Hit. Am Dienstag, 20.15 Uhr, läuft die vorerst letzte Folge. Jürgen Overkott sprach mit dem gebürtigen Herdecker Jörg Hartmann, dem J. R. von Ostberlin.

Wo waren Sie, als die Mauer fiel?

Jörg Hartmann: Da war ich in Herdecke.

Wie haben Sie den Mauerfall wahrgenommen?

Hartmann:Zu dieser Zeit habe ich Zivildienst gemacht, in einem Krankenhaus in Herdecke, und ich war fasziniert von dem, was da passierte: Alles, was so festgefahren schien, über Jahre und Jahrzehnte, geriet ins Wanken, und man wusste in diesen Tagen gar nicht, wie es weitergeht. Ich bin eine Woche später nach Berlin gefahren, um mir das mal anzugucken. Zwei Tage nach dem Mauerfall sah man den ersten Trabbi in Herdecke, und wir haben ihn bejubelt.

Sie leben seit sieben Jahren in Potsdam. Ist zusammengewachsen, was zusammengehört?

Jörg Hartmann in „Weissensee“. © ARD/Julia Terjung
Jörg Hartmann in „Weissensee“. © ARD/Julia Terjung © ARD/Julia Terjung

Hartmann:In meinem Umfeld ja. Hier, in Potsdam, gilt das. Aber man muss sagen: Potsdam ist eine Ausnahme, manchmal sogar ein Wolkenkuckucksheim, und hier weiß man wirklich nicht mehr, wer kommt aus dem Osten, wer aus dem Westen. Das heißt natürlich nicht, dass das woanders auch keine Rolle mehr spielt. Leider ist das so. Und solange nicht jeder Westdeutsche mal nach Ostdeutschland gefahren ist und umgekehrt, bleibt noch eine Menge zu tun.

Wie viele Nächte mussten Sie das Rollen-Angebot für “Weissensee” überschlafen?

Hartmann:Angenommen habe ich die Rolle sofort, da musste ich nicht lange überlegen. Ich hatte darauf gehofft, aber mir immer gesagt, okay Du machst Dein Glück jetzt nicht davon abhängig. Aber als die Nachricht kam, war die Freude groß.

Die Freude war groß, weil die Rolle des Stasi-Offiziers Falk Ihre erste große Fernsehrolle ist…

Hartmann: …und weil sie so interessant ist…

Sie geben den Schurken im Stück, mit großer Karrieresehnsucht, mithin das Böse…

Hartmann:…das Böse gibt es nur bei den Grimmschen Märchen und George W. Bush: Falk ist der J.R. von Ostberlin, der mit seinen Intrigen anderen Menschen schadet. Aber: Er kämpft für eine Gesellschaftsordnung, von der er wirklich überzeugt ist. Er merkt nicht, wie er für das Gute kämpft und Böses produziert. Nebenbei: Falk versucht es immer seinem Vater recht zu machen.

Es gibt einen Vater-Sohn-Konflikt: Die Anerkennung, um die er kämpft, bleibt ihm versagt. Ist Falk eine tragische Figur?

Hartmann:Schon. Falk macht scheinbar alles richtig, um die vermeintlichen Erwartungen seines Vaters zu erfüllen, aber die Liebe seines Vaters gilt seinem jüngeren Bruder. Und obendrein muss Falk mit ansehen, wie sein Vater immer mehr aufweicht und den Glauben an das System verliert. Vielleicht ist Falk der einsamste Mensch dieser Serie.

Falk ist, zugespitzt, der letzte kalte Krieger mit betonierter Weltanschauung…

Hartmann: …wir befinden uns im Jahr 1980...

…in dem politische Debatte öfter als nötig mit ideologischer Härte ausgetragen wurden. Haben Sie als junger Mann auch eine klare Weltanschauung gehabt?

Hartmann: Mich hat in den 80er Jahren die ökologische Diskussion geprägt, eine Diskussion, die zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten ist und erst jetzt, mit dem Klimawandel, wieder aufkommt. Da hat mich die unmittelbare Situation in Herdecke geprägt, damals ist viel umgemodelt und abgerissen worden, etwa für eine Umgehungsstraße. Da sind Wälder abgeholzt worden, der Obstgarten hinter unserem Haus ist weggekommen für eine Straße. Das hat mich beschäftigt, aber ich war nicht politisch aktiv.

Welche Haltung hatten Sie zum Ost-West-Konflikt?

Hartmann: Ich bin zu Gorbatschow gegangen, als er Dortmund besucht hat, und ich hatte immer die Einstellung, hinter dem Eisernen Vorhang leben doch auch Menschen.

Hatten Sie Verwandte in der damaligen DDR?

Hartmann: Nein. Aber wir haben, als es mit dem Mauerfall losging, in Ungarn DDR-Bürger kennengelernt. Später, 1990, standen DDR-Bürger morgens um sechs bei uns in Herdecke vor der Tür; haben gefragt, ob sie bei uns wohnen können. Mein Vater hat die Leute damals für 14 Tage bei uns einquartiert, hat sie bei der Arbeits- und Wohnungssuche unterstützt - die leben da heute noch.