Berlin. Ein Mann hat in Berlin ein Baby zur Welt gebracht. Der Fall des Transsexuellen, der das Baby bereits im Frühjahr gebar, ist der erste in Deutschland, der bekannt wird. Möglich würde er durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, wonach sich Transsexuelle nicht mehr operieren lassen müssen, um ihr Geschlecht offiziell zu ändern.
Ein Mann bekommt ein Baby: In Berlin hat ein Transsexueller im Frühjahr nach einer Samenspende ein Kind zur Welt gebracht. Dieser gebärende Mann wird aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität kein Einzelfall bleiben. "Die Bundesrepublik muss sich darauf einrichten, dass es eben auch schwangere Männer und Väterinnen geben kann. Das wird einfach irgendwann Alltag werden", sagte die Vorsitzende Andrea Budzinski am Montag. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über den Fall.
Die Entwicklung sei eine Konsequenz aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2011, so Budzinski. Demnach müssen Transsexuelle sich nicht mehr operieren lassen, um ihr Geschlecht offiziell ändern zu können. Umgekehrt werde es aber auch Frauen mit ursprünglich männlichen Körpermerkmalen geben, die zeugungsfähig bleiben und "Väterinnen" werden können, sagte Budzinski.
Bei dem Berliner Fall wurde der offiziell als Mann eingetragene Mensch ursprünglich mit weiblichen Körpermerkmalen geboren und konnte daher ein Kind zur Welt bringen. Der gebärende Mann von Neukölln sei in Deutschland bislang der erste bekannte Fall, sagte Budzinski. Im Ausland habe es aber bereits andere Beispiele gegeben, wie etwa den US-Amerikaner Thomas Beatie.
Warum können Männer gebären und Frauen "Väterinnen" werden?
Um offiziell das andere Geschlecht anerkennen zu lassen, mussten Transsexuelle bis 2011 fortpflanzungsunfähig sein und sich umoperieren lassen. So sollte eine deutliche Annäherung an das neue Geschlecht erreicht werden. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Vorgaben im Jahr 2011 gekippt. Männer, die einst mit weiblichen Körpern geboren wurden und sich nicht mehr operieren lassen müssen, können daher noch Kinder bekommen. Umgekehrt können auch Frauen, die in männlichen Körpern zur Welt kamen, Kinder zeugen.
Welchen Operationen mussten sich Transsexuelle früher unterziehen?
Bei Männern, die vor dem Urteil die Anerkennung als Frau erreichen wollten, mussten unter anderem der Penisschaft amputiert und der Hoden entfernt werden. Bei biologischen Frauen, die sich als Männer anerkennen lassen wollten, mussten die Gebärmutter, die Eierstöcke und der Eileiter entfernt und oft auch die Brust verkleinert werden. Das Bundesverfassungsgericht sah darin einen Verstoß gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.
Wie ist der Fall des gebärenden Vaters aus Berlin medizinisch zu bewerten?
Der Fall ist aus medizinischer Sicht unkompliziert, weil der Mann noch weibliche Geschlechtsorgane hat. Interessant ist eher die psychische Ebene. Der Transsexuelle fühlt sich zwar als Mann, vollzieht mit Schwangerschaft und Geburt aber etwas typisch Weibliches. Es gibt hier kein endgültiges "Ich will jetzt Mann sein", sondern er lebt auch seine weibliche Seite aus.
Transsexuelle nehmen oft Hormone, um möglichst männlich zu wirken. Welche körperlichen Voraussetzungen müssen für eine Empfängnis und Geburt mindestens gegeben sein?
Es reicht eine Gebärmutter. Einen eigenen Menstruationszyklus braucht man nicht. Mit Hormonen lässt sich dieser wieder herbeiführen und die Gebärmutterschleimhaut auf die Einnistung der befruchteten Eizelle vorbereiten.
Stören die männlichen Hormone nicht die Entwicklung des Kindes?
So lange es ein Junge wird, stören die Hormone nur in hohen Konzentrationen. Wenn der Fötus weiblich ist, muss man den Hormonspiegel kontrollieren und notfalls reduzieren, damit das Mädchen nicht vermännlicht und somit veränderte äußere Geschlechtsorgane hat.
Welche Folgen hat es für ein Kind, wenn sein Vater eigentlich eine Frau ist?
Das lässt sich noch nicht sagen, da es dazu in Deutschland keine Erfahrungen über eine längere Zeit gibt. Der Fall aus Berlin ist der einzige, der der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (DGTI) bekannt ist. Der Verband rechnet aber damit, dass es künftig auch andere gebärende Männer und "Väterinnen" gibt.
Wie viele Transsexuelle gibt es in Deutschland?
Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität gibt es mindestens 80 000 Menschen in Deutschland, die transsexuell sind. (dpa)