Washington. . Vier gescheiterte Anläufe hatte die mittlerweile 64-jährige Diana Nyad schon gewagt, bevor sie sich nun erneut in die Wellen stürzte – und diesmal als Siegerin aus dem Kampf mit Poseidon hervorging. In 52 Stunden bewältigte sie die 166 Kilometer Meerwasser, die zwischen Florida und Kuba liegen. Dabei trotzte sie den Wellen, ihren schwindenden Kräften – und dem ein oder anderen Hai.

Ein Stiefvater aus Hellas, der Aristoteles hieß und frei aus Homers „Odyssee“ vortragen konnte. Ein Nachname, der in der griechischen Mythologie so viel wie Wasser-Nymphe bedeutet - im Rückblick erscheint das, was Diana Nyad gelungen ist, schicksalhaft vorgezeichnet.

Die 64-Jährige Kalifornierin hat die Dämonen des Meeres und sich selbst bezwungen und in 52 Stunden die 166 Kilometer lange Strecke zwischen Havanna/Kuba und Key West/Florida schwimmend nonstop hinter sich gebracht. Ohne Schwimm-Flossen und Schutzkäfig vor Haien. 35 Jahre nach dem ersten Versuch, dem drei weitere gescheiterte Anläufe folgen sollten. Das glückliche Ende der Irrfahrt hat in Amerika eine Welle der Bewunderung ausgelöst. Selbst der Präsident twitterte nach dem weltweit einmaligen Kraftakt: „Gib niemals Deine Träume auf!“

Mit Singen zu mehr Lebenskraft

Wer die strohblonde Frau gestern in den Frühstücksfernsehsendungen erlebt hat, weiß: Es muss ein Alptraum gewesen sein. Schwellungen an Lippen, Zunge und Gaumen, ausgelöst durch das aggressive Salzwasser machten Nyad noch immer das Sprechen schwer. „Ich habe konstant gebrochen, konnte kaum Nahrung bei mir behalten. Ich war krank wie ein Hund“, berichtete sie.

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Als die blaue Badekappe der Extremschwimmerin am Montagnachmittag vor Key West auftauchte, war davon nicht viel zu sehen. Wacklig auf den Beinen und mit sonnenverbrannten Wangen ging Diana Nyad unter dem Jubel Hunderter an Land und verkündete ihre Botschaft: „Erstens: Wir sollten nie aufgeben. Zweitens: Man ist nie zu alt, um seine Träume zu jagen.“

Nyads Erfolg ist nicht der Eine-Seniorin-will-es-noch-mal-wissen-Fall aus dem Bilderbuch. Schon als Kind ist Wasser ihr Element. Jugendtrainer sagen ihr eine große Zukunft voraus. 100 und 200 Meter Rücken werden ihre Spezial-Disziplinen. 1968 ist sie fast olympiareif. Eine Entzündung der Herzinnenhaut kommt dazwischen. Nyad zieht den Badeanzug aber nicht aus, verlegt sich auf das Ziehen langer Bahnen. 1975 umrundet sie in acht Stunden Manhattan. Auch die Bestmarke für Frauen auf der selten beschwommenen Route Bahamas-Florida, knapp 165 Kilometer, gehört ihr. 1978 dann die Premiere zwischen Kuba und Florida. Nach über 40 Stunden pfeifen die Ärzte im Begleitboot ab. Quallen und Qualen sind zu viel.

"Portugiesische Galeere" zwang sie zur Aufgabe

Danach tat Diana Nyad 30 Jahre lang keinen Armzug mehr. Schrieb ein Fitness-Buch, was das Armdrücken an der Ladentheke gegen den Erstling einer gewissen Jane Fonda haushoch verlor, spielte Squash und gründete ein Sportstudio. Erst spät gab sie bekannt, dass Schwimmen für sie in mehrfacher Hinsicht ein Verdrängungswettbewerb war. Als 14-Jährige wurde sie vom Trainer fortgesetzt sexuell missbraucht. „Ich bin aus Wut geschwommen.“

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Als der 60. Geburtstag näher rückte, kam vieles zusammen. Die langjährige Liebe zu ihrer Lebensgefährtin zerbrach. Stiefvater und Mutter starben. „Ich suchte nach Halt, nach einem neuen Ziel“, erzählte Nyad ihrer Heimatzeitung „Los Angeles Times“. Im Rose Bowl Aquatic Center in Pasadena nahm sie das Training wieder auf, brachte sich binnen eines Jahres in Topform und eine Organisation auf den Weg, die 500.000 Dollar für einen neuen Versuch zusammenbringen sollte. Es wurden vier.

Fast jedes Mal zwang die „Portugiesische Galeere“, eine Quallen-Art, sie zur Aufgabe. Dass es diesmal funktionierte, führte sie auf eine glückliche Fügung zurück: „Die Strömung war für mich. Und die extra angefertigte Gesichtsmaske hat mich beschützt.“ Nicht zu vergessen die Musik. Diana Nyad hilft ihrer Willenskraft im Wasser mit Singen auf die Sprünge. Meist Lieder von den Beatles, Neil Young und Bob Dylan. 65 Songs hat sie abgespeichert, bis auf die Sekunde. „2000 Mal ,It Ain‘t Me, Babe’ sind vier Stunden fünfundvierzig Minuten.“ It Ain‘t Me, Babe? Quatsch. Seit Montag muss es heißen: „Hey, sie ist es - wirklich.“